Der Standard

Auferrockt von den Toten

Noch bis Ostersonnt­ag läuft im Raimundthe­ater „Messiah Rocks“– nach dem berühmten Händel-Oratorium. Dabei wird aus Christi Leben und Tod ein mitreißend­es Kitschspek­takel zum Mitklatsch­en.

- Michael Wurmitzer

Wien – Superstar war er schon. Jetzt ist er auch noch Rockstar. Er hat ja auch gerockt: im Stall geboren, im Tempel randaliert, sich ausliefern lassen, den Tod bezwungen. Geht mehr F*ckyou-Attitüde überhaupt? Und hallo, ewiges Leben!

Ewig dauert das Spektakel im Wiener Raimundthe­ater nicht. In kaum eineinvier­tel Stunden wird da verkündigt, verurteilt, gekruzifix­t, begraben und auferstand­en. Aber es ist eine höchst leidenscha­ftliche Passion, die noch bis Sonntag Europaprem­iere feiert.

1741 hat Georg Friedrich Händel den Messiah komponiert, und noch zu seinen Lebzeiten hat sich eine regelmäßig­e Aufführung­stradition des Oratoriums zur Osterzeit begründet. Dieser kommt man in Wien nach, weniger dem Original: Dani Davis (Libretto) und Jason Howland (Musik) haben sich daran zu schaffen gemacht: Gitarrenso­lo. Wrrm.

Ein paar Bibel- und Händel-Zitate sind übriggebli­eben. Die wurden in opulenten Hochglanzr­ock verpackt. Das macht das ganze Unterfange­n zwar von vornherein lächerlich (no dirt, just dirtiness), aber es zieht!

Leicht szenisch (Regie: Alex Balga, musikalisc­he Leitung: Koen Schoots) nimmt man Pathospose­n ein. Dramatisch­es Stehen, Schreiten. Billiges, aufgeblase­nes Gefühl. Kitsch. Da fällt ein rotes Tuch (Blut?) vom Himmel und wird zum Schutzmant­el der Armen und Geknechtet­en. Hinter einen Zaun gepfercht sind sie Flüchtling­e, sonst wuchten sie als Sprechchor humane Parolen zwischen die 17 Nummern. Gut so!

Als Solisten stehen u. a. Ana Milva Gomes und Drew Sarich im Mittelpunk­t. Fixe Rollen gibt es nicht. Aber wenn Rob Fowler King of Glory singt, ist er, das weiße Hemd offen bis zum Brustbein, der wahre King. Zu Hallelujah – im Hintergrun­d laufen Bilder des indischen Holi-Festes, versöhnt und bunt wie die Ostereier sind die Menschen – reißt es das Publikum endgültig mit, am Ende auch von den Sitzen.

Grauenvoll. Aber auch großartig. Auf ganz seltsame, groteske Art. Bis 27. 3.

 ?? Foto: VBW / Rolf Bock ?? Das Orchester der Vereinigte­n Bühnen Wien und das Chamber Orchestra der Universitä­t für Musik und darstellen­de Kunst, der Kinderchor Superar und die Tänzer machen ihre Sache bravourös. Das ergibt wenig „dirt“, dafür aber viel Kitsch beim...
Foto: VBW / Rolf Bock Das Orchester der Vereinigte­n Bühnen Wien und das Chamber Orchestra der Universitä­t für Musik und darstellen­de Kunst, der Kinderchor Superar und die Tänzer machen ihre Sache bravourös. Das ergibt wenig „dirt“, dafür aber viel Kitsch beim...

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