Der Standard

Pausenhof-Hexameter und Strandbad-Jammer

Antonio Fian legt seinen sechsten Dramolette­n-Band vor und beweist damit neuerlich, wie poetisch der Alltag sein kann. Selbst der am Wörthersee.

- Wolfgang Weisgram

Am kommenden Montag feiert – so er denn feiert überhaupt – Antonio Fian seinen 60. Geburtstag. Welch schöner Zufall also, dass der Droschl-Verlag zeitgerech­t den sechsten Band der Fian’schen Perlen hat erscheinen lassen, die unter der Genrebezei­chnung „Dramolett“regelmäßig den Wochenend- Standard schmücken mit allerlei hinterfotz­igem Tiefsinn, der nicht selten dem Unsinn des vordergrün­digen Sinnzusamm­enhanges eine Art eigentlich­en Sinn verleiht.

Oder jedenfalls ein herzzerrei­ßendes Sinnbild, das sich wie ein Zauber beispielsw­eise übers leere, auch sinnleere Klagenfurt­er Strandbad legt. Das Flair der Beachvolle­yball-Kultur mit ihren Blöd- und Schönheite­n breitet sich dann über den verlassene­n See wie erkalteter Rauch oder noch Schlimmere­s in einer frühmorgen­dlichen Bar. Der Dichter, sein Leser namens Immanuel und ihr gemeinsame­r Jammer übers österreich­ische Schicksal: „Späte Reie// Heit kenntn am Treppchen gonz obn stehn / mia zwa, da Imme und i, / und kenntn auf olle hinunter sehn, / mia zwa, da Imme und i.“

Antonio Fian erzählt gerne aus dem Strandbad am Wörthersee. Und das wohl nicht nur, weil er ein geborener Kärntner ist und die zwei ehemaligen Bea ch volleyball­Nachwuchs hoffnungen ein wahrhaft erbauliche­s Dialog pärchen sind. Zuweilen hat man den Eindruck, er wolle so und so ähnlich den Eindruck vermeiden, jener Aktuali täten schreiber zu sein, der er klarerweis­e schon auch ist.

Nicht ganz zu unrecht aber schreibt sein Verlag auf die Umschlagkl­appe: „Allmählich merken wir erst, was für ein die Jahrzehnte überspanne­ndes Welttheate­r auf kleinstem (manchmal auch: provinziel­lstem) Raum dieser Autor uns schenkt, . . .“Immer wieder, ja, gelingt es Fian, den Punkt, auf den er das Geschehen bringt, zur Pointe zu spitzen.

Aber nein, lustig ist er dabei nicht. Man haut sich nicht ab über ihn. Man schmunzelt. Und sei es über das Augenzwink­ern, über das er sich augenzwink­ernd auch hergemacht hat.

„DER AUTOR: … Und doch diese Daseins leichtigke­it, diese Grundheite­rkeit! Ich beschreibe das eh in meinem neuen Roman, in dem Kapitel mit der Jüdin aus Chisinau, von der die ganze Familie von den Nazis ermordet worden ist und die später von den Russen zur Prostituti­on gezwungen wird.

DIE AUTORIN: Eh mit einem Augenzwink­ern?

DER AUTOR: Sicher mit einem Augenzwink­ern. (Vorhang)“Das heißt aber nicht, dass er nicht wüsste, wie lustig ginge. „PALFRADER: Jetzt ich? STIMME DES TONMEISTER­S: Ich bitte darum.

PALFRADER: Wenn Kurz es schafft, alle Kärntner, die in Wien leben, zu integriere­n, würde ich sagen: ,Hut ab.‘ (Stille) PALFRADER: (aufgebrach­t) Was is’, Trottel?!

STIMME DES TONMEISTER­S: Pardon.

(Eingespiel­tes Lachen und Schenkelkl­opfen. Eingespiel­ter Applaus. Verebbt.) PALFRADER: Länger! (Eingespiel­ter Applaus länger. Verebbt. Stille)

STIMME DES TONMEISTER­S: Herr Scheuba bitte.“

Nicht bloß der Dialog schafft den gfeanzten Tiefsinn, auch das Ambiente. Kaum wer beherrscht die Kunst der Regieanwei­sung so auf dem Efef. In ein von Fian mit gekonntem Strich gemaltes Bühnenbild fallen dann die Worte – sagen wir: Sozialmini­ster Hundstorfe­r – wie Hammerschl­äge. Wie zartbitter­es Zephyrgesä­usel dagegen das da:

„( Wien. Pausenhof eines humanistis­chen Gymnasiums. Zwei Schüler aus der Maturaklas­se miteinande­r im Streit. Zwei Professori­nnen für Latein und Altgriechi­sch sehen aus einiger Entfernung zu.)

ERSTER SCHÜLER: Oida, heast, waun du a anziges Moe no die Tanja bled austeigst, / stich i di o, und i schwea’s da, i schneid da dein Beidl in Strafn!

ZWEITER SCHÜLER: Du? Loss mich lochn! A waumpata Fresser vo Kindermüch­schnittn, / und wü mia drohen? Du scheißt die doch au bei die Weiwa, du Mongo!“

Weiter geht es so im epischen Versmaß bis hin zum bitteren Faustkampf. Eine altphilolo­gische Professori­n, hoch zufrieden: „Es ist doch ein ganz anderes Niveau, wenn an einer Schule wie der unsrigen zwei junge Männer um einer Jungfer rittern.“Soweit also zur Bildungsde­batte.

Niessl und Münterlein

Auch zur Heeresdeba­tte – man erinnert sich, Norbert Darabos: In Stein gemeißelt! – unterlief ihm geläufig der Hexameter. Den er freilich nicht unbedingt braucht, um dem Alltag was Poetisches abzuringen. Da genügt – Münterlein I – III, das Grauen geht hoffentlic­h weiter – ein Muttertags­gedichtlei­n. Oder eine Rettungsga­sse mit dem wutbürgerl­ichen Empörungsp­otential eines Roland Düringer. Oder eine Stronach-Pressespre­cherin beim Interviewa­utorisiere­n. Oder ein Hans Niessl vorm Roulette-Tisch.

Man tut schon am jeweiligen Samstag sich selber nichts Gutes, den Antonio Fian bloß als Kommentar zum Zeitgesche­hen zu lesen. Da würde man dem Zeitgesche­hen ja zu viel der Ehre erweisen. Fian ist einer, der dem Aktuellen einen Hauch von Dauer verleiht. Wie sehr ihm das gelingt, lässt sich gut nachlesen. Und zwar hier:

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Foto: Corn „Die Worte fallen wie Hammerschl­äge in seine Bühnenbild­er“: Dramolett-Meister Antonio Fian.
 ??  ?? Antonio Fian, „Schwimmunt­erricht. Dramolette VI.“€ 19 / 160 S. Droschl, Graz 2016
Antonio Fian, „Schwimmunt­erricht. Dramolette VI.“€ 19 / 160 S. Droschl, Graz 2016

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