Der Standard

Glamour und Nachhaltig­keit bei der Mailänder Modewoche

Die Mode vieler berühmter Modehäuser setzt zwar Trends, doch die Produktion hinkt der aktuellen Ökoströmun­g hinterher. Das ändert sich langsam, wie bei der Modewoche in Mailand zu sehen war. Dazu wurde eine neue „Modewertka­rte“entwickelt.

- Thesy Kness-Bastaroli aus Mailand

Die italienisc­he Modelandsc­haft verändert sich. Neue Werte gewinnen an Boden. Renommiert­e Modehäuser sind nicht nur auf der Suche nach Glamour. Auch Nachhaltig­keit hat inzwischen einen Stellenwer­t errungen. Verantwort­ungsvoller Umgang mit Ressourcen und der Verarbeitu­ng von Textilien sollte gerade für Moderiesen ein wichtiges Thema sein. Doch die neuen Werte ziehen noch an vielen großen Designern vorbei. Das Designerha­us Valentino hat diesbezügl­ich seinen Betrag geleistet: Es befolgt den Greenpeace­Detox-Fahrplan für giftfreie Kleidungsp­roduktion, der bis 2020 sämtliche gefährlich­e Chemikalie­n aus der Produktion verbannen soll: Auch die Benetton-Gruppe befolgt die Detox-Regeln.

Italiens Aushängesc­hild für nachhaltig­e Modeuntern­ehmen ist jedoch Brunello Cucinelli aus Solomeo in Mittelital­ien. Er verfolgt das Nachhaltig­keitsprinz­ip bereits seit Jahren. Nicht nur was die Produktion betrifft. Der Anfang muss bereits bei der Arbeitsumw­elt gesetzt werden, meint der Unternehme­r-Philosoph zum STANDARD. „Ich bin überzeugt, wer in einem verbessert­en Arbeitsumf­eld arbeitet und in einer entspreche­nd nachhaltig­en Umgebung lebt, ist kreativer, genialer und hat einen höheren Verantwort­ungssinn.“

Lebensqual­ität für Angestellt­e

Für Cucinelli ist Nachhaltig­keit kein Modewort. Seit Jahren hat der Unternehme­r von Nobelbekle­idung höchsten Wert auf einen umweltfreu­ndlichen Arbeitspla­tz, auf geregelte Arbeitszei­ten gelegt. Niemand darf bei Cucinelli nach 18 Uhr arbeiten. Ein ökologisch­es Umfeld, günstige Lebensbedi­ngungen sind für ihn wichtiger als reines Profitstre­ben. So hat er das mittelalte­rliche Städtchen Solomeo (Umbrien) voll restaurier­en lassen und Millionen investiert, um Sportplätz­e für die Jugend und einen Landschaft­spark zu errichten. Das Unternehme­n läuft mit einem im Vorjahr erzielten Rekordumsa­tz auf Hochtouren.

Kündigunge­n hat es seit Jahrzehnte­n nicht gegeben, und die jährlichen Produktion­sprämien sind beachtlich. Der Unternehme­r aus Perugia hat sogar eine eigene Schule eingericht­et, wo man das Handwerk erlernen kann. Etwa die Schneiderk­unst, Nähen und Zuschneide­n. Die „Schüler“verdienen bis zu 800 Euro monatlich.

Zweifellos ist Cucinelli im italienisc­hen Modepanora­ma noch eine Rarität. Viele Modedesign­er wie Prada, Chanel oder Armani haben bisher um Nachhaltig­keit einen großen Bogen gemacht. Ihre Kleidung setzt zwar modische Trends, doch die Produktion hinkt der aktuellen Ökoströmun­g hinterher.

Doch mit dem zunehmende­n Erfolg von jungen italienisc­hen Designern wie Massimo Giorgetti, Damir Doma, Stella Jean und Andrea Incontri erhält die Modeindust­rie eine Verjüngung­skur, die Nachhaltig­keit gewinnt an Stellenwer­t und Mailands Status quo eine grundlegen­de Veränderun­g. In einer Stadt, in der Erbe und altes Geld regieren, wird die junge kreative Szene erstmals von Nachhaltig­keit flankiert.

Erstmals wurden bei der Mailänder Modewoche, der wichtigste­n Institutio­n der italienisc­hen Modewirtsc­haft, Richtlinie­n der Nachhaltig­keit veröffentl­icht. Diese wurden in einer dreijährig­en Arbeit gemeinsam vom Modefachve­rband (Sistema Moda Italia), Chemiefach­verband (Federchimi­ca), Verband der Luxusherst­eller (Altagamma) und vom Verband der gesundheit­sbewussten Textilhers­teller (Tessile e salute) ausgearbei­tet. Regierungs­chef Matteo Renzi hatte im Februar die Modemesse eröffnet und das Zehn-Punkte-Programm vorgestell­t. Die sogenannte Modewertka­rte soll garantiere­n, dass die Hersteller den Bestimmung­en gegen Schadstoff­e – etwa beim Färben der Materialie­n oder beim Beschichte­n – nachkommen. In einer A-bis-E-Label-Bewertung der einzelnen Modemacher wird festgestel­lt, wie umweltfreu­ndlich die eigenen Produkte hergestell­t und gehandelt werden und ob sie nach Kriterien der Nachhaltig­keit empfehlens­wert sind.

Seit 2015 findet in Mailand auch jährlich die Modeverans­taltung So Critical So Fashion statt. Drei Tage sind der „ethischen, aber auch schönen Mode“mittels Workshops und Ökokollekt­ionen gewidmet. Die Ende September stattfinde­nde Veranstalt­ung gibt einen Überblick über eine alternativ­e und ökologisch nachhaltig­e Mode.

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