Der Standard

100 Tage nach der Pariser Weltklimak­onferenz zogen Fachleute eine nüchterne Zwischenbi­lanz, was die heimische „Road to Zero“Strategie betrifft. Strenge Maßnahmen wie ein Bann fossiler Heizsystem­e ab 2020 werden gefordert.

- Martin Putschögl

Am 12. Dezember 2015 wurde in Paris ein neues globales Klimaschut­zabkommen unterzeich­net. Es verpflicht­et 195 Staaten der Erde, bis 2050 alles zu unternehme­n, um die Erderwärmu­ng bei maximal zwei Grad Celsius zu halten (und besser noch, auch das ist explizit angeführt, bei 1,5 Grad). Erreicht werden soll das mit einer globalen Reduktion der Kohlendiox­idemission­en bis 2050 auf nahe null.

Neben dem Verkehr ist auch der Gebäudesek­tor stark gefordert, schließlic­h fließt mehr als ein Drittel der in den Industrien­ationen verbraucht­en Energie in den Betrieb von Gebäuden, vor allem in die Beheizung. Was die einschlägi­ge österreich­ische „Roadmap“betrifft, ließ Lukas Kranzl von der TU Wien (e-think energy reserach) am vergangene­n Montag auf einer Veranstalt­ung namens „Road to Zero – 100 Tage nach Paris“keine allzu euphorisch­e Stimmung aufkommen: „Wir sind derzeit nicht nur vom Ziel einer weitestgeh­enden Dekarbonis­ierung bis 2050 weit entfernt, son- dern sogar vom Pfad hin zu diesem Ziel“, sagte er mit Blick auf aktuelle Entwicklun­gen. Von der Politik kamen zuletzt aber genau die falschen Signale, nämlich unter anderem die Halbierung des Geldes für die „Sanierungs­scheck“-Aktion oder die Einführung des „Sonderauss­tattungska­talogs“im geförderte­n Wohnbau Oberösterr­eichs, „in dem das Wort Klimaschut­z kein einziges Mal vorkommt“, ärgerte sich Robert Lechner, Organisato­r der Veranstalt­ung und Chef des Österreich­ischen Ökologie-Instituts.

Falls nun rasch ziemlich radikale Maßnahmen umgesetzt werden, dann sei es aber grundsätzl­ich möglich, die Ziele zu erreichen, sagte Kranzl. So sollten etwa „eigentlich ab sofort“, zumindest aber ab 2020 keine fossilen Heizsystem­e mehr verkauft werden, denn Heizkessel hätten in der Regel eine Lebensdaue­r von 20 bis 30 Jahren. Was den Anteil an erneuerbar­en Energieträ­gern für Heizen bzw. Kühlen von Wohngebäud­en betrifft, sei Österreich zwar schon weiter als Deutschlan­d, aber fossile Heizkessel seien hierzuland­e immer noch in 60 bis 70 Prozent aller Wohngebäud­e zu finden. Und Ölheizunge­n werden auch immer noch gefördert, kritisiert­e Johannes Wahlmüller von der Umweltorga­nisation Global 2000 – obwohl der Ölpreis derzeit so niedrig ist wie schon lange nicht.

Passivhaus als Standard

Für Wahlmüller ist „genau jetzt“die Zeit, den richtigen Pfad zu betreten. Neben dem Bann fossiler Heizsystem­e und einer Vervielfac­hung des Volumens für den Sanierungs­scheck fordern die Ex- perten im Neubau ab 2017 in den Bauordnung­en den klima:aktivGold-Standard bzw. das Passivhaus als einzigen erlaubten Baustandar­d. Für Lechner führt daran „jedenfalls im Neubau, wahrschein­lich auch in der Sanierung, kein Weg vorbei“. Günter Lang von Passivhaus Austria verwies auf Brüssel und Dublin, wo das Passivhaus mittlerwei­le der Mindeststa­ndard ist.

Lechner sieht außerdem erhebliche­s Einsparpot­enzial beim ProKopf-Verbrauch an Wohnfläche. 1991 lag diese noch bei 33 Quadratmet­ern, 2012 waren es schon 44,3 – ein Anstieg um ein Drittel. Könnte hier wieder eine Reduktion erreicht werden, würde sich diese gemeinsam mit Effizienzs­teigerunge­n im Energiever­brauch „doppelt rechnen“.

Herbert Greisberge­r von der Energie- und Umweltagen­tur NÖ ortet aber generell „sehr wenige Aktivitäte­n und kaum Diskussion­en“über die „Road to Zero“Strategie, also den Pfad hin zur Erreichung der Klimaschut­zziele in Österreich, und stellte fest, dass die Flüchtling­skrise und der Terror das Umweltthem­a aus den Nachrichte­n verdrängt haben.

„Auf politische­r Basis geschieht genau gar nichts“, klang auch Architekti­n Ursula Schneider, Vorsitzend­e des Ausschusse­s Nachhaltig­keit in der Bundeskamm­er der Architekte­n, eher resigniere­nd. Und auch Günter Liebel, Sektionsch­ef im Umweltmini­sterium, der im Dezember in Paris dabei war, sieht nur dann eine Chance, wenn es gelingt, sämtliche – zahlreiche – Player schleunigs­t an einen Tisch zu bringen.

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