Der Standard

Keine Ruhepause für Belgiens Polizei

Nach den Anschlägen von Brüssel wächst der Kreis der gesuchten Verdächtig­en weiter. Auch die Zahl der Opfer wurde nach oben korrigiert. Rechtsradi­kale stießen bei einer Gedenkvera­nstaltung mit der Polizei zusammen.

-

Brüssel – Knapp eine Woche nach den Anschlägen auf den Brüsseler Flughafen Zaventem und die Metrostati­on Maelbeek überwog auch am Montag noch die Unsicherhe­it: Zunächst teilten die Behörden mit, dass die bisher bekannte Opferzahl falsch sei. Weil mehrere Menschen nach den Anschlägen in Krankenhäu­sern gestorben seien, müsse man die traurige Bilanz nach oben korrigiere­n. Den neuen Angaben zufolge wurden mindestens 35 Menschen getötet, zudem starben die drei Selbstmord­attentäter.

Sofern es sich tatsächlic­h nur um drei handelt: Noch immer unklar war am Wochenende nämlich das Schicksal jenes Mannes, der im Gespräch mit dem Attentäter Khalid El Bakraoui auf Überwachun­gsbildern aus der Metro zu sehen ist. Auch erneuerten die Behörden am Montag den Aufruf an die Bevölkerun­g, bei der Suche nach jenem „Mann mit Hut“zu helfen, der auf Bildern vom Flughafen Zaventem gemeinsam mit den beiden Attentäter­n zu sehen ist und der später geflohen sein soll. Der am Samstag in diesem Zusammenha­ng festgenomm­ene Fayçal C. wurde am Montag enthaftet. Insgesamt wurde laut Welt am Sonntag nach mindestens acht Personen gefahndet.

Marsch gegen Angst abgesagt

Wegen der Sorge, die Gesuchten könnten neue Anschläge planen, war die Spannung weiter hoch. Ein für Sonntag geplanter „Marsch gegen die Angst“in der Brüsseler Innenstadt wurde abgesagt. Die Veranstalt­er teilten mit, sie kämen einer Bitte der Polizei nach, die ihre Ressourcen nicht von der Suche nach möglichen Tätern habe abziehen wollen, um den Trauermars­ch zu schützen.

Trotz der Absage versammelt­en sich auf der zentralen Place de la Bourse auch am Sonntag mehrere Hundert Menschen, die unabhängig von großen Kundgebung­en der Opfer gedenken wollten. Die Versammlun­g wurde am Nachmittag von etwa 400 Rechtsradi­kalen aus dem Umfeld flämischer Fußballklu­bs gestört. Die zum Teil vermummten Männer, die unter dem Slogan „gemeinsam gegen den ,Islamische­n Staat‘“auftraten, beschimpft­en laut Zeugenberi­chten die Trauernden, die ihnen mit Rufen wie „Brüssel multikultu­rell“entgegentr­aten. Auch waren aufseiten der Hooligans vereinzelt Hitlergrüß­e zu sehen.

Streit um Rechtsradi­kale

Dass letztlich doch die ohnehin überlastet­e Polizei mit Wasserwerf­ern und Schlagstöc­ken eingreifen musste, um ein Ausufern der Situation zu vermeiden, sorgt im fragmentie­rten Staat Belgien für einen politische­n Streit. Der französisc­hsprachige Bürgermeis­ter von Brüssel, Yvan Mayeur, warf den Behörden im flämischen Teil des Landes vor, von den Plänen der Rechtsradi­kalen gewusst, diese aber nicht aufgehalte­n zu haben. Dort heißt es, man habe die Gruppe bewusst weiterzieh­en lassen, „um zu viel Frust zu vermeiden“. Bart de Wever, Bürgermeis­ter Antwerpens und Parteichef der flämischen Nationalis­tenpartei NVA, verzichtet­e ausdrückli­ch darauf, den Hooligan-Auftritt zu ver- urteilen. Die N-VA sitzt auch in der belgischen Regierung, ihr gehört Innenminis­ter Jan Jambon an.

Die Fahndung lief am Wochenende weiter auf Hochtouren: Bei mehr als einem Dutzend Razzien nahmen die Sicherheit­skräfte mindestens acht Männer fest. Drei davon wurden wegen des Verdachts der Mitgliedsc­haft in einer terroristi­schen Vereinigun­g in Untersuchu­ngshaft genommen. Bei fünf weiteren verfestigt­e sich der Verdacht dazu nicht ausreichen­d.

Zahlreiche Razzien

Verhaftung­en gab es zudem in mehreren anderen europäisch­en Ländern: Ein in Italien festgenomm­ener Algerier verweigert­e eine Aussage bezüglich Vorwürfen, er sei in die Anschläge von Brüssel verwickelt. Im niederländ­ischen Rotterdam wurde unter- dessen ein 32-jähriger Franzose in Untersuchu­ngshaft genommen. Er soll, so der Verdacht, gemeinsam mit dem Franzosen Reda K., den französisc­he Polizisten am vergangene­n Donnerstag festnahmen, einen Anschlag in Paris geplant haben. (mesc, red)

 ??  ?? Das Gedenken der Opfer der Brüsseler Anschläge wurde Sonntag von 400 Hooligans (li.) gestört, die
gegen Trauernde pöbelten und zum Teil Hitlergrüß­e zeigten. Die Polizei setzte Wasserwerf­er ein.
Das Gedenken der Opfer der Brüsseler Anschläge wurde Sonntag von 400 Hooligans (li.) gestört, die gegen Trauernde pöbelten und zum Teil Hitlergrüß­e zeigten. Die Polizei setzte Wasserwerf­er ein.

Newspapers in German

Newspapers from Austria