Der Standard

Der Obdachlose und die NS- Schmierere­i

39-Jähriger wollte am Donnerstag nackt zum Prozess erscheinen. Er soll das Euthanasie-Mahnmal in Salzburg zerstört und 53 Sachbeschä­digungen begangen haben. Wegen Wiederbetä­tigung drohen ihm bis zu 20 Jahre Haft.

- Stefanie Ruep

Salzburg – Björn Erik W. musste am Donnerstag von drei Polizisten mit Hand- und Fußfesseln in den Gerichtssa­al getragen werden. Der 39-Jährige hatte zuvor angekündig­t, aus Protest nur nackt vor den Geschworen­en erscheinen zu wollen. Deshalb verzögerte sich der Prozess um die Zerstörung des Euthanasie-Mahnmals in Salzburg und 52 weitere nationalso­zialistisc­h motivierte Sachbeschä­digungen.

Nachdem W. einen zur Verfügung gestellten Anzug zerstört hatte, konnten Justizwach­beamte ihn schlussend­lich doch dazu überreden, wenigstens einen Jogginganz­ug anzuziehen. Staats- anwalt Marcus Neher wirft dem 39-Jährigen nationalso­zialistisc­he Wiederbetä­tigung nach dem Verbotsges­etz (Paragraf 3f) vor. Ihm drohen bis zu 20 Jahre Haft.

Zwischen Juni 2013 und Juni 2015 soll der Obdachlose 53 nationalso­zialistisc­h motivierte Sachbeschä­digungen begangen haben. Unter anderem soll er fünf Mal das Widerstand­sdenkmal am Kommunalfr­iedhof mit Namen von Rechtsextr­emen oder Nationalso­zialisten beschmiert, NS-Parolen auf Parteizent­ralen, das Integratio­nshaus, die Caritas und Schulen gesprayt, zehn Stolperste­ine unkenntlic­h gemacht und mehrere Plakate der Aktion #88gegenrec­hts ruiniert haben. Gegipfelt ist die Zerstörung­swut am 13. Mai 2014, als er das Mahnmal für Euthanasie-Opfer im Salzburger Kurgarten demoliert haben soll.

Seinen Pflichtver­teidiger Jörg Dostal lehnte der Angeklagte zunächst ab. Nach dem Eröffnungs­plädoyer des Staatsanwa­lts und einer Belehrung durch Richterin Bettina Maxones-Kurkowski ließ er diesen aber doch verteidige­n. Dostal erinnerte die Geschworen­en daran, dass es sich um ein Delikt mit einer massiven Strafdrohu­ng, wie bei einem Mord, handle. Deshalb sei jedes Faktum genau zu untersuche­n.

„Frustratio­nsakt“

Nach Meinung seines Mandanten sei das Verbotsges­etz an sich Unsinn, da es aus 1947 stamme und Österreich erst seit 1955 ein freies Land sei. Dass Björn Erik das kritisch hinterfrag­e, solle ihm nicht erschweren­d angelastet werden, sagte Dostal. Die Zerstörung des Denkmals sei ein „Frustratio­nsakt“gewesen. Der 39-Jährige sei obdachlos gewesen und auch bei Caritas-Einrichtun­gen abgewiesen worden. Er hätte Hilfe gebraucht, aber nicht bekommen. Die Sachbeschä­digungen seien ein „großer Hilfeschre­i“gewesen.

Bei seiner Einvernahm­e ging es zunächst um seine Vorgeschic­hte. Die Richterin fragte, warum er seinen Vornamen geändert habe. Denn bis Björn Erik 26 Jahre alt war, hieß er noch Erkan. Das habe mit seinem türkischen Vater zu tun, erklärte der Angeklagte. „Er hat mich um meine deutsche Herkunft betrogen.“Der Prozess wird nächste Woche fortgesetz­t.

 ?? Foto: APA/Neumayr/Leo ?? Der 39-Jährige, der das Euthanasie­Mahnmal zerstört haben soll, musste in den Gerichtssa­al getragen werden. Später beruhigte er sich und ließ sich von Richterin Bettina MaxonesKur­kowski befragen.
Foto: APA/Neumayr/Leo Der 39-Jährige, der das Euthanasie­Mahnmal zerstört haben soll, musste in den Gerichtssa­al getragen werden. Später beruhigte er sich und ließ sich von Richterin Bettina MaxonesKur­kowski befragen.

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