Freiberufler rebellieren gegen griechische Regierung
Neben Gewerkschaften mobilisieren nun breitere Gesellschaftsschichten in Griechenland gegen die jüngste Runde von Steuererhöhungen. Vor einer rezessiven Wirkung warnt auch die griechische Zentralbank.
Es war lang ihr eigener Schlachtruf, doch jetzt haben sich die Fronten verkehrt. „Tretet zurück!“heißt die Bewegung, die sich im Internet gegen die linksgeführte Regierung von Alexis Tsipras formiert hat und Mittwochabend erstmals auf den Syntagma-Platz in der Athener Innenstadt zog. Einige Tausend kommen, meist ältere Geschäftsleute und nicht wenige aus der Medienbranche.
„Diese Regierung richtet den privaten Sektor zugrunde“, sagt Yiannis Loverdos, ein konservativer Fernsehjournalist, der ohne Unterlass Hände schütteln muss, während er über die neue Steuerlast schimpft. Mit 46 Prozent Steuern ziehe man keine Investoren aus dem Ausland an, erklärt ein anderer Freiberufler, der seine Geschäfte nach Osteuropa verlegte.
Die Linke ist empört. Sie sieht die Hand der konservativen Oppo- sition hinter „Paraititheite“– dem „Tretet zurück!“-Netzwerk. Reaktionär und nicht verfassungskonform nannte der Bildungsminister gar die neue Protestbewegung. Nikos Filis zog wilde Parallelen zu Pinochet in Südamerika und der AfD in Deutschland. Den großen Unmut der Griechen über die neue Welle von Steuer- und Abgabenerhöhungen kann er damit nicht besänftigen. Seit Wochen wird gestreikt. Die Anwälte gehen nicht mehr ins Gericht, die Hafenarbeiter nicht mehr zu den Kreuzfahrtschiffen, von nächsten Montag an bis zum Freitag ruht auch teilweise der Flugverkehr.
Ganz ähnlich wie Antonis Samaras, Griechenlands konservativer Regierungschef von 2012 bis Anfang 2015, ruft Alexis Tsipras seine Landsleute nun aber zu Geduld auf und kündigt Wachstum und das Ende der Gängelei durch die Kreditgeber an. Im Konferenzsaal des Akropolis-Museum will er heute, Donnerstag, seinen Plan für das Land vorstellen. Es ist ein bunter Strauß an Initiativen, der die linksgeführte Regierung durch die nächsten Monate tragen soll: Konjunkturprogramme, Hilfe für die vielen sozial Schwachen, eine Verfassungsreform.
Im Zahlenkasten der griechischen Finanzkrise sieht es nüchterner aus. Die weiter bestehenden Kapitalkontrollen und die sich lange hinschleppenden Verhandlungen mit den Kreditgebern haben die Wirtschaft im ersten Quartal dieses Jahres weiter schrumpfen lassen, hieß es im Mittwoch vorgestellten Finanzbericht der Zentralbank in Athen: minus 0,5 Prozent im Vergleich zum vierten Quartal 2015 und minus 1,4 Prozent, verglichen mit dem ersten Quartal im Vorjahr. Zentralbankgouverneur Yiannis Stournaras, Samaras’ früherer Finanzminister, erwartet gleichwohl eine Besserung. 2016 könnte mit einem nur kleinen Minus von 0,3 Prozent enden. Doch auch er warnt vor den Rezessionseffekten der Steuererhöhungen.
Mehr Liquidität
10,3 Milliarden Euro wird Athen in Raten bis Herbst von den Kreditgebern erhalten. Der formelle Beschluss wird heute, Donnerstag, vom Eurorettungsschirm ESM erwartet. Der Großteil wird einmal mehr nur für den Schuldendienst verwendet – 6,8 Milliarden Euro –, doch die restlichen 3,5 Milliarden Euro nimmt der Staat zur Begleichung von Rückständen etwa bei Unternehmen. Davon erwartet sich Regierung wie auch Zentralbank mehr Liquidität.