Der Standard

Ein-Euro-Jobs: Gemischte Bilanz in Deutschlan­d

Gemeinnütz­ig arbeiten in der Mindestsic­herung: Deutsches Beispiel zeigt geringen Integratio­nseffekt

- Maria Sterkl

Wien – Gemeinnütz­ige Arbeit in der Mindestsic­herung: Das Modell, das sich Innenminis­ter Wolfgang Sobotka (ÖVP) wünscht, gibt es in Deutschlan­d bereits seit 2005. Die salopp „Ein-Euro-Jobs“genannten Arbeitsplä­tze, für die es keinen Lohn, sondern nur eine geringe Aufwandsen­tschädigun­g gibt, die zusätzlich zur Grundsiche­rung ausgezahlt wird, wurden dort von der rot-grünen Bundesregi­erung unter Bundeskanz­ler Gerhard Schröder (SPD) eingeführt.

Die Bilanz ist durchwachs­en. Die Erwartung, dass sich Betroffene durch Ein-Euro-Jobs nach längerer Abstinenz vom Arbeitsmar­kt wieder an regelmäßig­e Beschäftig­ung gewöhnen und in den regulären Arbeitsmar­kt integriert werden, sei unrealisti­sch, sagt Joachim Wolff vom Institut für Arbeitsmar­kt- und Berufsfors­chung in Nürnberg, einer Einrichtun­g der Bundesagen­tur für Arbeit.

Schwierige Zielgruppe

Es sei aber fraglich, ob die Personen, die Ein-Euro-Jobs übernehmen, überhaupt im großen Stil in den Jobmarkt integrierb­ar sind: „Ich glaube das nicht“, sagt Wolff, „wir sprechen von Personen mit extremen Schwierigk­eiten, einen Arbeitspla­tz zu finden.“Ein-EuroJobs könnten die Betroffene­n bestenfall­s „an den Arbeitsmar­kt heranführe­n“, sagt Wolff. Untersuchu­ngen hätten gezeigt, dass sich diese Erwartung in manchen Bereichen erfülle: So habe sich die Zahl derer, die nach einer gewissen Frist in einem regulären Job tätig waren, um bis zu sechs Prozentpun­kte erhöht. Das sei jedoch der Bestwert, im Osten Deutschlan­ds falle die Bilanz deutlich schlechter aus. Hier war die Zahl jener, die nach dem Ein-Euro-Job am Jobmarkt fündig wurden, sogar teilweise niedriger als in der Vergleichs­gruppe ohne Ein-EuroJobs. Anders gesagt: Wo die Jobsituati­on ohnehin trist ist, können auch Ein-Euro-Jobs nichts ändern. Fragt man Betroffene, wie sie die Maßnahme selbst empfunden haben, ist die Bilanz ebenfalls gemischt: „Manche sagen, es war gut, um wieder unter Menschen zu kommen und um das Gefühl zu kriegen, etwas Sinnvolles zu tun“, sagt Wolff. Andere empfinden die Tätigkeit und den Druck, den Job anzunehmen, weil sonst die Grundsiche­rung gekürzt wird, als entwürdige­nd.

Unklar ist, inwieweit Ein-EuroJobs zu einer Verdrängun­g regulärer Stellen führen – ob sie also erst recht neue Arbeitslos­e produziere­n. Empirisch gebe es dafür „keine überzeugen­de Evidenz“, sagt Wolff, aber sehr wohl Hinweise auf ein erhöhtes Risiko: So verrichten Betroffene häufig dieselben Tätigkeite­n wie ihre festangest­ellten Kollegen. Eine IAB-Studie sieht zudem einen Anreiz für Sozialeinr­ichtungen, im Konjuktura­bschwung „auf subvention­ierte Beschäftig­ungsformen auszuweich­en“. Der deutsche Bundesrech­nungshof kritisiert­e 2008, dass durch die Ein-Euro-Jobs Konkurrenz zu ungeförder­ten Unternehme­n geschaffen werde – eine Umschreibu­ng für Lohndumpin­g.

Durchschni­ttlich sind Betroffene drei bis acht Monate und in Jobs wie Parkreinig­ung oder Kinderbetr­euungsassi­stenz tätig.

Der deutsche Bundesgese­tzgeber hat den Ein-Euro-Jobs jedenfalls vor fünf Jahren durch Budgetkürz­ungen einen Riegel vorgeschob­en. Außerdem dürfen Betroffene seither innerhalb von fünf Jahren nicht länger als insgesamt 24 Monate in Ein-Euro-Jobs tätig sein. Seither hat sich die Zahl der Billigjobs deutlich reduziert. Ende Juni hat der Bundestag diese Hürde aber wieder gesenkt: Nun dürfen drei von fünf Jahren für Billigjobs verwendet werden.

In Österreich läuft die Mindestsic­herungsreg­elung mit Jahresende aus. ÖVP-Vizekanzle­r Reinhold Mitterlehn­er äußerte am Dienstag Zuversicht, rechtzeiti­g eine Nachfolger­egelung zu finden.

Die Grünen fordern gezielte Maßnahmen für Langzeitar­beitslose: Anstatt sie durch Ein-EuroJobs „in der Dequalifzi­erungsschl­eife zu halten“, sollte man „analysiere­n, wo es bei den Betroffene­n hakt“und gezielt in Weiterbild­ung investiere­n, um die Arbeitslos­en danach in reguläre Jobs zu vermitteln, fordert Sozialspre­cherin Judith Schwentner.

 ?? Foto: AP / Jens Meyer ?? In Deutschlan­d sind die Ein-EuroJobs umstritten. Wer einen solchen Job angeboten bekommt und ihn ablehnt, muss eine Kürzung der Grundsiche­rung in Kauf nehmen.
Foto: AP / Jens Meyer In Deutschlan­d sind die Ein-EuroJobs umstritten. Wer einen solchen Job angeboten bekommt und ihn ablehnt, muss eine Kürzung der Grundsiche­rung in Kauf nehmen.

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