Der Standard

Irre Zahlen

- Andreas Sator

Die irischen Statistike­r scheinen am Ende des Regenbogen­s einen Topf voll Gold gefunden zu haben. So könnte man die absurd hohe Wachstumsr­ate des Landes erklären: Um 26,3 Prozent soll die irische Volkswirts­chaft im Vorjahr zugelegt haben. Wenn dem so wäre, stünde die Arbeitslos­igkeit bei null, und die Iren würden eine Gehaltserh­öhung nach der anderen bekommen.

Beides ist nicht der Fall. Vielmehr kann man die Statistike­n mittlerwei­le völlig vergessen. Ausländisc­he Unternehme­n, die ihren Firmensitz oder Patente wegen der niedrigen Steuern nach Dublin verlagern, blähen das offizielle Bruttoinla­ndsprodukt (BIP) auf. Über das hohe Wachstum lässt sich aber nicht nur der Kopf schütteln. Es bringt auch zwei wichtige Themen wieder ins Rampenlich­t.

Da wäre zum einen das trotz geringer Verbesseru­ngen immer noch riesige Problem des Steuerdump­ings. Die 26 Prozent sind eine Erinnerung daran, dass nicht einmal die EU-Länder in der Lage sind, dem Steuerwett­bewerb nach unten einen Riegel vorzuschie­ben. Gleichzeit­ig bleiben Bündnisse wie die EU die einzige Möglichkei­t, realistisc­h entgegenzu­wirken. Die nach dem Brexit-Votum in London angekündig­te Steuersenk­ung bestätigt das.

Zweitens zeigen die irischen Zahlen erneut die Grenzen des BIP als Wohlstands­indikator auf. Auch wenn das irische Statistikp­roblem ein Sonderfall ist, ist etwa das Median-Einkommen ein deutlich sinnvoller­er Maßstab.

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