Der Standard

Mangel an Dolmetsche­rn

Vor Polizei und am Gericht kommt es auf jedes Wort an. Umso wichtiger sind gute Dolmetsche­r. Die Uni Wien bildet ab Herbst in einem postgradua­len Lehrgang erstmals Behörden- und Gerichtsdo­lmetscher für Türkisch, Arabisch und Dari/Farsi aus.

- Maria Sterkl

Es mangelt an Gerichtsdo­lmetschern für häufig gebrauchte Sprachen wie Türkisch. Die Uni Wien bietet nun einen Lehrgang an.

Wien – Vor Gericht kann ein Wort über alles entscheide­n – im Strafverfa­hren sogar über Schuld und Unschuld. Umso tragischer, wenn es sich um ein Missverstä­ndnis handelt, der Täter also vermeintli­ch seine Schuld gesteht, ohne es zu merken. Doch genau das kann beim Dolmetsche­n passieren.

Hinter falschen Übersetzun­gen muss keine böse Absicht stecken. Dolmetsche­n ist eine schwierige Technik, die mühsam erlernt werden muss, es fehlt jedoch für viele Sprachen an Ausbildung­sangeboten. So gibt es im größten Gerichtssp­rengel Wien beispielsw­eise keine Dolmetsche­rausbildun­g für Türkisch und Arabisch. Doch gerade hier bestehe Mangel an Dolmetsche­rn, sagt Mira Kadrić, Leiterin des neuen Lehrgangs „Be- hörden- und Gerichtsdo­lmetschen“in Türkisch, Arabisch und Dari/Farsi, der im November an der Uni Wien startet.

Knappes Angebot

Während es für Russisch in Wien 51 beeidete Gerichtsdo­lmetscher gibt, sind es für das weit häufiger gesprochen­e Türkisch nur 21. Das habe viel mit fehlenden Ausbildung­smöglichke­iten zu tun, sagt Kadrić. Zwar ist kein Studium erforderli­ch, um sich als Gerichtsdo­lmetscher beeidigen zu lassen, doch muss man eine zumindest fünfjährig­e Übersetzer­tätigkeit vorweisen. Viele Berufsüber­setzer bleiben wegen der höheren Honorare aber lieber am privaten Markt.

Um den Mangel an Dolmetsche­rn zu überbrücke­n, greifen Richter und Richterinn­en oft zu Laien, die ad hoc beeidet werden. In diesem Fall ist das Risiko für Falschüber­setzungen höher.

„Besonders bedenklich“sei das Dolmetsche­r-Angebot im Asylverfah­ren in erster Instanz, sagt der Wiener Anwalt Christian Schmaus. Er erzählt von einem afghanisch­en Asylwerber, der angab, vor den Taliban verfolgt worden zu sein. Der Dolmetsche­r habe den Satz „Nicht alle im Dorf waren Taliban“mit „Alle im Dorf waren nicht Taliban“übersetzt – was die Erzählung des Mandanten unglaubwür­dig wirken ließ. Auf Nachfragen hin habe sich herausgest­ellt, dass dem Dolmetsche­r der Unterschie­d gar nicht bewusst war: Er sei schließlic­h selbst erst vor fünf Jahren als Asylwerber ins Land gekommen und habe danach begonnen, Deutsch zu lernen, wie seine damaligen Sprachkurs­kollegen bestätigte­n.

Gute Dolmetschu­ng sei kein Luxus, sondern Menschenre­cht, weil es „essenziell für ein faires Verfahren“sei, sagt Maria Wittmann-Tiwald, Co-Vorsitzend­e der Fachgruppe Grundrecht­e in der Richterver­einigung. Es reiche nicht, dass Dolmetsche­r die Sprachen beherrsche­n. „Sie müssen auch lernen, sich gegen Vereinnahm­ungsversuc­he zu wehren“.

Flüchtling­e als Potenzial

Der neue Lehrgang am Postgradua­te Center der Uni Wien ist die erste spezifisch­e Weiterbild­ung für Gerichts- und Behördendo­lmetschen in Österreich. Ein Ziel sei auch, das Potenzial hochqualif­izierter Flüchtling­e zu nutzen, sagt Kadrić. Vorausgese­tzt werden Kenntnisse auf C1-Niveau in beiden Sprachen. Teilnehmer, die derzeit auf Jobsuche sind, bekommen die Lehrgangsk­osten vom AMS ersetzt, das AMS bietet auch C1-Kurse. Der Lehrgang kann berufsbegl­eitend absolviert werden. pwww. postgradua­tecenter.at

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Laiendolme­tscher kommen in vielen Bereichen zum Einsatz. Wenn es um rechtliche Verfahren geht, braucht es aber Profi-Übersetzun­gen.

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