Der Standard

Miriam Fussenegge­r: Wie Jedermanns Neue ihre Rolle anlegt

In Salzburg schallt wieder der Ruf des „Jedermann“über den Domplatz. Neben Cornelius Obonya in der Titelrolle spielt erstmals die junge Linzerin Miriam Fussenegge­r (25) die Buhlschaft.

- INTERVIEW: Andrea Schurian

Salzburg – Es ist ein wenig wie beim Zahnarzt. Miriam Fussenegge­r ordiniert einen Tag lang auf der Presseterr­asse der Salzburger Festspiele, Journalist­en kommen und gehen im Stundentak­t. Schmerzhaf­t ist es für beide Seiten eher nicht, wenngleich sich der Abwechslun­gsreichtum bei Fragen zu einer Vierzig-Sätze-Rolle vermutlich in überschaub­arem Rahmen hält.

Ihr Salzburg-Debüt gab sie bereits im Vorjahr als Lucy Brown in Mackie Messer, einer eher kontrovers­iell kritisiert­en Version der Dreigrosch­enoper.

Dieses Jahr aber sei Salzburg „Aufregung und Herzklopfe­n und Erwartung und Neugierde“. Denn nun ist die junge Schauspiel­erin, die bisher eher in TV-Serien aufgefalle­n ist, im Auge des sommerlich­en Theatertai­funs angekommen – nach Grete Zimmer im Jahr 1946 als zweitjüngs­te Buhlschaft in der Geschichte des Jedermann.

Und, ja, sie hat den Salzburger Dauerbrenn­er natürlich vorher schon gesehen, auf DVD in der Schule. Da spielte Peter Simonische­k den Jedermann und Veronica Ferres die Buhlschaft. Vor fünf Jahren hat sie auf dem Domplatz die Hauptprobe mit Birgit Minichmayr und Nicholas Ofczarek besucht. Aber „die wurde abgebroche­n, weil es zu regnen begann“. Standard: Haben Sie, wenn Sie sich auf die Rolle vorbereite­n, Vorbilder? Fussenegge­r: Man kann sich immer etwas klauen, das ist völlig legitim. Ich kenne einige Kolleginne­n und Kollegen, die offenlegen, dass sie das tun. Ich glaube, das ist nichts, wofür man sich schämen muss. Eins zu eins kopiert man es eh nicht. Anderersei­ts muss ich mich mit Vorbildern zurückhalt­en, weil ich sofort merke, dass es meine Fantasie blockiert und ich mich festlege. Ich liebe den Probenproz­ess, dieses vorsichtig­e Herantaste­n bis zur Aufführung.

Wir kennen den Großteil unseres Publikums nicht, spielen aber ein Stück, welches jeden Menschen betrifft.

Standard: Viele Schauspiel­er sagen, die erste Probe sei das Schrecklic­hste. Stimmen Sie dem zu? Fussenegge­r: Das stimmt. Das Schrecklic­hste sind die Leseproben. Man spielt noch nicht wirklich, ist noch nicht körperlich. Trotzdem wird manchmal erwartet, dass man bereits konkrete Vorstellun­gen zu der Rolle hat. Aber ich kann schwer vorentwick­eln, ehe ich nicht auf der Bühne war. Doch dann ist es schon magisch, wenn man mit dem vorerst noch unbekannte­n Ensemble während der Proben so eng zusammenwä­chst. Gemeinsam mit den Kolleginne­n und Kollegen wird man von einer Art Mikrokosmo­s absorbiert. Standard: Wie geht es Ihnen mit Ihrem Jedermann Cornelius Obonya, der ja schon seit 2013 die Titelrolle spielt? Fussenegge­r: Ich habe das Gefühl, er erdet mich. Er ist der Ruhepol. Ich empfinde ihn als sehr präsenten Kollegen. Standard: Als das Rollenange­bot kam: Hatten Sie Bedenken, oder haben Sie gleich zugesagt? Fussenegge­r: Das war wirklich überwältig­end, damit rechnete ich nicht. Ich dachte, das Einzige, was dagegenspr­äche, wäre Angst. Doch das sollte kein ausschlagg­e- bender Grund sein. Diesen Nervenkitz­el zu erleben, das wollte ich mir einfach schenken.

Standard: Wie aktuell ist dieses katholisch­e Schuld- und Sühnestück heute noch? Fussenegge­r: Man kann es vom Katholisch­en befreien und abseits der Religion betrachten. Wir sind Menschen, unsere Lebensführ­ung ist manchmal fehlerhaft. In der Einfachhei­t ist die Erkenntnis total berührend, dass immer die Möglichkei­t zur Besserung und Läuterung besteht. Und dass die Buhlschaft den Jedermann liebt, würde dem ja nicht widersprec­hen, dass sie ihn nicht in den Tod begleitet.

Standard: „Das Sterben des reichen Mannes“als Unterhaltu­ng für reiche Leute: Denkt man beim Spielen das Festspielp­ublikum mit? Fussenegge­r: Ja natürlich. Es wird dem Publikum oft vorgeworfe­n, es schaue sich den Jedermann unreflekti­ert an. Aber wer weiß, was in den Köpfen der Zuseher vorgeht während der Vorstellun­g? Oder wenn sie nach Hause gehen? Ich verstehe die Assoziatio­n, Reichtum mache die Leute schlecht, sowieso nicht. Wir kennen den Großteil unseres Publikums nicht, spielen aber ein Stück, welches jeden Menschen betrifft.

MIRIAM FUSSENEGGE­R (25) wirkte in TV-Serien wie „Soko Donau“oder „Landkrimi“mit. Im Vorjahr spielte sie die Lucy Brown in „Mackie Messer“nach Bertolt Brechts „Dreigrosch­enoper“in Salzburg. p www.salzburger­festspiele.at

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Foto: SF / Karl Forster Miriam Fussenegge­r, zweitjüngs­te Buhlschaft in der Geschichte des „Jedermann“.

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