Monstrum
Mit Monstren will der Normalbürger üblicherweise nichts zu tun haben. Was durch seine Erscheinung aus dem Rahmen des Üblichen fällt, erschreckt, macht Angst und lässt womöglich gar an böse Omen denken, die uns höhere Mächte schicken. Schon in der Antike war das so, erklären uns die Etymologen, als mit dem monstrum zunächst einmal ein „mahnendes Zeichen der Götter durch eine widernatürliche Erscheinung“gemeint war und später erst die „widernatürliche Erscheinung“selbst.
Eine Art, Ungeheuern, Ungetümen und anderen Monstren mental beizukommen, ist es, sie zu verniedlichen. Kinderliteratur und Popkultur sind voll mit entschärften, aufs Liebenswürdige zurechtgestutzten Monstren. Anfang der antiautoritären 1970er-Jahre waren die von der deutschen Kinderbuchautorin Dietlind Neven-du Mont kreierten „Getüme“populär, welche sich später sogar im Titel einer Gedichtsammlung von Erich Fried wiederfanden („Die bunten Getüme“).
Ebenfalls keine Angst verbreiten das gefräßige Krümelmonster aus der Sesamstraße (sollte in Österreich eigentlich „Bröselmonster“heißen), Elliot das Schmunzelmonster sowie das Fliegende Spaghettimonster, gepriesen sei es. Mit Abstand am beliebtesten sind freilich in diesem heißen Sommer 2016 jene bunten Pixelhaufen, welche von Kindsköpfen aller Kontinente enthusiastisch bejagt werden und von denen die Firma Nintendo glauben machen möchte, es handle sich um „Taschenmonster“. Das nämlich, verrät uns Wikipedia, bedeutet das aus dem japanischen Poketto Monsuta (engl.: Pocket Monster) zusammengezogene „Pokémon“. Was es mit dem geschmäcklerischen Accent aigu über dem e auf sich hat, wird leider nicht verraten.
Weit über 700 Pokémon-Pixelhaufen gibt es inzwischen. Wer solche Heerscharen benennen muss, wird nicht umhinkönnen, Namen an allen Haaren herbeizuziehen (Flauschling, Pumpdjinn, Vegimak, Schlurplek, Toxiquak). Und wenn auch keines der Taschenmonster wirklich monströs wirken mag: Der Hype, der um sie gemacht wird, ist es mit Sicherheit.