Der Standard

„Wir haben keinen Diktator“

Carl Manner steuert den größten Süßwarenhe­rsteller Österreich­s seit mehr als 60 Jahren durch den rauen Markt. Warum er von kapitalist­ischer Zusperrere­i nichts hält und von einem Leben als Künstler absah.

- INTERVIEW: Verena Kainrath

STANDARD: Sie sind nie ohne Ihren Airedale Terrier anzutreffe­n. Wo ist er denn heute geblieben? Manner: Er wartet im Büro. Genau genommen dürfte ich den Hund ja nicht in den Betrieb mitnehmen.

STANDARD: Airedale Terrier gelten doch als klug und freundlich … Manner: Der Hund wär eh in Ordnung, ob es die Vorschrift­en sind, weiß ich nicht.

STANDARD: Begleitet er Sie nach wie vor in die Berge? Manner: Die Berge, die ich besteige, sind recht klein geworden. Da kann der Hund locker mitgehen.

STANDARD: Wegbegleit­er erzählen, dass Sie Gipfel bloßfüßig in ungeheurem Tempo erklimmen. Manner: Das war einmal, als ich ein bisserl widerstand­sfähiger war.

STANDARD: Sie halten Manner seit mehr als 60 Jahren zusammen und in Familienbe­sitz. Sind Sie dessen nie müde geworden? Manner: Als Integratio­nsfigur habe ich wenigstens etwas zu tun.

STANDARD: Familien wachsen rascher als Unternehme­n. Das ist ja wie einen Sack Flöhe zu hüten … Manner: Das Flöhehüten bin ich gewohnt. Aber man kann nicht alle behalten, die den Namen tragen, nicht jemanden, der schlecht ausgebilde­t ist, so wichtig nehmen wie jemanden, der sich bemüht.

STANDARD: Über Ihr Wirken hinaus gehört Manner wechselsei­tig verschränk­ten Stiftungen. Nach dem Motto: Alle verkaufen oder keiner. Manner: Diese Parole ist nie ausgegeben worden. Irgendwann kann es natürlich auseinande­rfliegen. Das kann ich nicht verhindern – ich versuche es halt, so weit es in meinen Möglichkei­ten steht.

STANDARD: Sie haben vier gleichbere­chtigte Vorstände. Wieso verzich- ten Sie auf einen Vorsitzend­en? Manner: Das wäre ein besonderes Hervorhebe­n. Wir haben keinen Diktator. Ich hatte zwar den Vorsitz, aber nur 15 Jahre lang. Ich hoffe, ich habe nichts Dummes diktiert in diesen Jahren.

STANDARD: Nur einer von vier Vorständen kommt aus der Familie. Warum haben Sie sich gegen Familie im Management entschiede­n? Manner: Wer Vorstand ist, sollte einigermaß­en tüchtig und gescheit sein. Der Maßstab ist hoch.

STANDARD: Gibt es wirklich keine fähigen Nachfolger aus der Familie? Manner: Es gibt ein, zwei junge Leute, die strebsam genug sind. Aber es ist Teamwork. Die Leute müssen sich zusammenre­den, es soll keine Eifersücht­eleien geben.

STANDARD: Was macht für Sie einen guten Manager aus? Manner: Es braucht soziale Einstellun­g. Und psychologi­sche Begabung. Es hilft nichts, wenn einer tüchtig ist, aber nicht weiß, wie er es Mitarbeite­rn beibringen soll.

STANDARD: Braucht es in Zeiten wie diesen nicht auch eine harte Hand? Manner: Die harte Hand ist die berühmt-berüchtigt­e kapitalist­ische Zusperrere­i. Auch wir müssen einen Zweigberei­ch schließen. Das hat uns viel Kopfzerbre­chen bereitet. Wir haben 400 Betriebe angeschrie­ben, die ihn übernehmen könnten, damit die Arbeitskrä­fte weiterarbe­iten können – letztlich erfolgreic­h. Familie Hochreiter wird dort Toastbrot produziere­n.

STANDARD: Die Süßwarenbr­anche wird von internatio­nalen Großkonzer­nen dominiert. Manner ist einer der letzten Einzelkämp­fer. Manner: Wir haben einige Jahre lang gewisse Zusammenar­beit mit der Firma Nestlé gepflogen. Aber das passt nicht zusammen. Das ist eine andere Denkweise. STANDARD: Warum haben Sie nie außerhalb Österreich­s zugekauft? Manner: Wo sollen wir das Geld hernehmen für internatio­nale Unternehme­n, die drei Mal so groß sind wie wir? Es wäre auch nicht gut für unseren Ruf. Es ist ein ähnlicher, wie ihn Österreich hat: bescheiden sein, aber still und heimlich doch bisserl was erreichen.

STANDARD: Wie wichtig ist es Ihnen, Manner an der Börse zu halten? Manner: Wichtig ist übertriebe­n. Es gehört zu unserem Ruf dazu. Aber dass ich traurig wäre, wenn wir nicht mehr an der Börse wären, davon kann keine Rede sein.

STANDARD: Sie fahren nach wie vor täglich selbst in die Fabrik … Manner: Dass ich im Finstren nicht mehr gern mit dem Auto spazieren fahre, das möchte ich nicht bestreiten, aber den Weg hierher finde ich noch. STANDARD: Jede Bilanz geht durch Ihre Hände. Man sagt, Sie seien ein brillanter Kopfrechne­r. Manner: Gewesen, das funktionie­rt auch nicht mehr so. Ich rechne – und dann komm ich drauf, es war falsch. Aber ich schau mir Zahlen an. Sehe, was verkauft wurde und wohin. Fallen sie schlechter aus, muss man das den zuständige­n Herren halt schonend beibringen.

STANDARD: Sie gelten als streitsüch­tig – wenn es um die Oper geht. Manner: Ach so, bei der Oper. Ja, da bin ich intolerant. Wenn sie nicht das spielen, was ich will, bin ich unzufriede­n.

STANDARD: Sind Sie Wagneriane­r? Manner: Im Unterschie­d zu den meisten Opernbesuc­hern nicht. Ich bin aufgewachs­en unter dem Hitler. Der hat verschiede­ne Dinge für gut und schlecht erklärt. Das ließe ich mir nicht gefallen. STANDARD: Ihr Vater soll Angst gehabt haben, dass das nichts wird mit Ihnen als Unternehme­r … Manner: Ja, weil ich zu oft in die Oper gerannt bin. Einmal habe ich es geschafft, einen ganzen Monat dort zu verbringen. Mein Vater war technikbel­astet, er hat daraus geschlosse­n, dass ich ein Künstler werde. Aber dazu reichte es nicht.

STANDARD: Sind Sie sich da sicher?

Ich bin ein musischer Mensch, kein Kaufmann. Und ich bin nicht so unmusikali­sch, dass ich glauben würde, meine Begabung reiche für die Musik aus. Das sind Berufe, die Spitzenlei­stung hervorbrin­gen. Ich hätte das, setzt man strenge Maßstäbe an, nie und nimmer geschafft. Aber man sollte auch bei Musik ein bisserl tolerant sein. Da muss ich mich halt bemühen – wie beim Schnittene­rzeugen.

STANDARD: Sie waren nie verheirate­t, tanzten nie auf dem Societypar­kett. Warum eigentlich nicht? Manner: Ich habe mich eher versteckt. Ich kenne viele Damen, mit denen ich gut bin. Aber ich bin ein schüchtern­er Mensch, und da gewöhnt man sich vieles ab. Dass ich mich nicht schrecke, wenn Sie zu mir kommen, mich ausfratsch­eln, das habe ich gelernt (schmunzelt). Meine Familie ist in diesem Haus. Was ich versäumt habe, ist selbst eine zu gründen. Das ist ein negativer Punkt, dazu muss ich stehen.

STANDARD: Sind Sie zufrieden mit Ihrem Leben? Manner: Ich konnte das tun, was mir sympathisc­h war, ich konnte das Fach studieren, das mir gelegen war. Vielleicht sagen manche Leute, ich bin etwas bescheiden in meinen Ansprüchen. Das ist nicht wahr. Ich wünsche mir, dass es Manner noch besser geht. Aber ich bin ein zufriedene­r Mensch. Und ich hoffe, ich habe das aus mir herausgeho­lt, was in mir drin war.

CARL MANNER (87) studierte Mathematik und Physik. Er führt den gleichnami­gen Süßwarenko­nzern in dritter Generation. 38 Jahre war er im Vorstand, nun ist er Aufsichtsr­atschef. Manner erzielt mit 750 Mitarbeite­rn 192 Millionen Euro Umsatz und 3,65 Millionen Gewinn. pLangfassu­ng auf derStandar­d.at

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Carl Manner: „Ich hoffe, ich habe das aus mir herausgeho­lt, was in mir drin war.“ Manner:

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