Strafrechtsreform als Glücksfall für Angeklagte
Rund um die Anklage gegen Karl-Heinz Grasser und andere spielt das neue Strafrecht eine Rolle. Im Fall Terminal Tower führt die Reform dazu, dass statt zehn nur noch drei Jahre Haft drohen. Auch eine Diversion ist theoretisch möglich.
Wien – Die von Justizminister Wolfgang Brandstetter initiierte Reform des Strafrechts könnte sich auf ein allfälliges Strafausmaß einiger Angeklagter dämpfend auswirken. Sollte es beispielsweise im Teilbereich Terminal Tower zu Verurteilungen wegen Untreue kommen, wären drei Jahre Haft das Maximum. Bis Ende 2015 wären noch zehn Jahre Freiheitsentzug möglich gewesen.
Bei der Vorbereitung der Anklage haben die gesetzlichen Änderungen zu einigem Aufwand geführt. Das praktisch fertige Schriftstück musste in einigen Punkten adaptiert werden. Was schwerer wiegt, sind die möglichen Auswirkungen bei Schuldsprüchen im Fall des Terminal Tower. Dabei soll Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser dafür gesorgt haben, dass die Eigentümer Porr und Raiffeisen Oberösterreich mit Finanz- und Zollabteilungen zahlungskräftige Mieter erhielten.
Beim Terminal Tower behauptet die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft einen Schaden von 200.000 Euro. Bis Jahresende war bei Untreue noch ein Überschreiten der Grenze von 50.000 Euro Voraussetzung für die Höchststrafe von maximal zehn Jahren Haft. Seit heuer liegt diese Schwelle bei 300.000 Euro. Somit drohen in der Causa Terminal Tower „nur“bis zu drei Jahre Frei- heitsentzug. Relevant könnte die Neuerung vor allem für jene Angeklagten sein, die im Bereich Buwog nicht vorkommen. Bei der Buwog liegt die Wertgrenze deutlich über 300.000 Euro. Allerdings wäre – rein theoretisch – denkbar, dass Grasser, Ernst Plech, Walter Meischberger, Peter Hochegger, Ludwig Scharinger und einige andere Angeklagte in der Buwog frei und beim Terminal nur wegen Untreue schuldig gesprochen werden. Dann käme die reduzierte Haftandrohung auch hier ins Spiel. Sie hätten „wegen der Novelle Glück gehabt“, sagt der Sprecher der WKStA, Konrad Kmetic, zum Standard.
Die Reform könnte in einem anderen Bereich Spuren hinterlassen. Denn Brandstetter hat mit der Strafrechtsänderung auch den Tatausgleich ausgedehnt, bei dem Geldbußen oder Dienst an der Gemeinschaft an die Stelle einer Haftstrafe treten. In der Regel kann die im Fachjargon Diversion genannte Ahndung bei einem Strafausmaß von höchstens fünf Jahren in Anspruch genommen werden. Diese Voraussetzung wäre angesichts des maximal dreijährigen Freiheitsentzugs bei der Causa Terminal Tower erfüllt. Allerdings gibt es auch Ausschlussgründe für die Diversion, beispielsweise jenen der Generalprävention oder der schweren Schuld. Staatsanwalt Kmetic hat im aktuellen Fall „Zweifel“, dass ein Tatausgleich möglich wäre.
Abseits dieser noch theoretischen Fragen beschäftigt ein Teil der Anklage, der durchgesickert ist, die Öffentlichkeit. Im sogenannten Anklagetenor, den ersten 53 von 825 Seiten, werden die bekannten Vorwürfe der Staatsanwaltschaft gegen Grasser bekräftigt. Der frühere Finanzminister habe bereits im Jahr 2000 gemeinsam mit Meischberger, Hochegger und Plech einen „Tatplan“entwickelt, um „finanzielle Vorteile“bei „Verkaufsprozessen, Privatisierungen und Auftragsvergaben der Republik Österreich zu erlangen“.
Einflüsterer bei dieser These war offenbar der frühere Kabinettchef im Verkehrsministerium, Willibald Berner. Er will im Jahr 2000 von Hochegger erfahren haben, dass damals ein Kreis von FPÖ-Persönlichkeiten besprochen habe, wie man an Privatisierungen und anderen Projekten der Republik mitnaschen könne. Grasser und Jörg Haider sollten für „die politische Unterstützung sorgen“, berichtete Berner unter Berufung auf Hochegger. In der noch nicht rechtskräftigen Anklageschrift heißt es weiter, Grasser habe „den für die Tatbegehung notwendigen psychischen Rückhalt“geboten.
Neben Bestechung, Untreue und Geldwäsche geht es auch um Beweismittelfälschung. Grasser soll u. a. mit Meischberger „falsche Beweismittel“hergestellt haben, um zu verschleiern, dass er der wirtschaftlich Berechtigte eines Kontos in Liechtenstein sei. Auf diesem Konto, das Meischberger für sich beansprucht, soll ein Drittel der Buwog-Provisionen gelandet sein. Alle Vorwürfe wurden von den Angeklagten stets bestritten, und es gilt die Unschuldsvermutung.