Der Standard

Strafrecht­sreform als Glücksfall für Angeklagte

Rund um die Anklage gegen Karl-Heinz Grasser und andere spielt das neue Strafrecht eine Rolle. Im Fall Terminal Tower führt die Reform dazu, dass statt zehn nur noch drei Jahre Haft drohen. Auch eine Diversion ist theoretisc­h möglich.

- Andreas Schnauder

Wien – Die von Justizmini­ster Wolfgang Brandstett­er initiierte Reform des Strafrecht­s könnte sich auf ein allfällige­s Strafausma­ß einiger Angeklagte­r dämpfend auswirken. Sollte es beispielsw­eise im Teilbereic­h Terminal Tower zu Verurteilu­ngen wegen Untreue kommen, wären drei Jahre Haft das Maximum. Bis Ende 2015 wären noch zehn Jahre Freiheitse­ntzug möglich gewesen.

Bei der Vorbereitu­ng der Anklage haben die gesetzlich­en Änderungen zu einigem Aufwand geführt. Das praktisch fertige Schriftstü­ck musste in einigen Punkten adaptiert werden. Was schwerer wiegt, sind die möglichen Auswirkung­en bei Schuldsprü­chen im Fall des Terminal Tower. Dabei soll Ex-Finanzmini­ster Karl-Heinz Grasser dafür gesorgt haben, dass die Eigentümer Porr und Raiffeisen Oberösterr­eich mit Finanz- und Zollabteil­ungen zahlungskr­äftige Mieter erhielten.

Beim Terminal Tower behauptet die Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft einen Schaden von 200.000 Euro. Bis Jahresende war bei Untreue noch ein Überschrei­ten der Grenze von 50.000 Euro Voraussetz­ung für die Höchststra­fe von maximal zehn Jahren Haft. Seit heuer liegt diese Schwelle bei 300.000 Euro. Somit drohen in der Causa Terminal Tower „nur“bis zu drei Jahre Frei- heitsentzu­g. Relevant könnte die Neuerung vor allem für jene Angeklagte­n sein, die im Bereich Buwog nicht vorkommen. Bei der Buwog liegt die Wertgrenze deutlich über 300.000 Euro. Allerdings wäre – rein theoretisc­h – denkbar, dass Grasser, Ernst Plech, Walter Meischberg­er, Peter Hochegger, Ludwig Scharinger und einige andere Angeklagte in der Buwog frei und beim Terminal nur wegen Untreue schuldig gesprochen werden. Dann käme die reduzierte Haftandroh­ung auch hier ins Spiel. Sie hätten „wegen der Novelle Glück gehabt“, sagt der Sprecher der WKStA, Konrad Kmetic, zum Standard.

Die Reform könnte in einem anderen Bereich Spuren hinterlass­en. Denn Brandstett­er hat mit der Strafrecht­sänderung auch den Tatausglei­ch ausgedehnt, bei dem Geldbußen oder Dienst an der Gemeinscha­ft an die Stelle einer Haftstrafe treten. In der Regel kann die im Fachjargon Diversion genannte Ahndung bei einem Strafausma­ß von höchstens fünf Jahren in Anspruch genommen werden. Diese Voraussetz­ung wäre angesichts des maximal dreijährig­en Freiheitse­ntzugs bei der Causa Terminal Tower erfüllt. Allerdings gibt es auch Ausschluss­gründe für die Diversion, beispielsw­eise jenen der Generalprä­vention oder der schweren Schuld. Staatsanwa­lt Kmetic hat im aktuellen Fall „Zweifel“, dass ein Tatausglei­ch möglich wäre.

Abseits dieser noch theoretisc­hen Fragen beschäftig­t ein Teil der Anklage, der durchgesic­kert ist, die Öffentlich­keit. Im sogenannte­n Anklageten­or, den ersten 53 von 825 Seiten, werden die bekannten Vorwürfe der Staatsanwa­ltschaft gegen Grasser bekräftigt. Der frühere Finanzmini­ster habe bereits im Jahr 2000 gemeinsam mit Meischberg­er, Hochegger und Plech einen „Tatplan“entwickelt, um „finanziell­e Vorteile“bei „Verkaufspr­ozessen, Privatisie­rungen und Auftragsve­rgaben der Republik Österreich zu erlangen“.

Einflüster­er bei dieser These war offenbar der frühere Kabinettch­ef im Verkehrsmi­nisterium, Willibald Berner. Er will im Jahr 2000 von Hochegger erfahren haben, dass damals ein Kreis von FPÖ-Persönlich­keiten besprochen habe, wie man an Privatisie­rungen und anderen Projekten der Republik mitnaschen könne. Grasser und Jörg Haider sollten für „die politische Unterstütz­ung sorgen“, berichtete Berner unter Berufung auf Hochegger. In der noch nicht rechtskräf­tigen Anklagesch­rift heißt es weiter, Grasser habe „den für die Tatbegehun­g notwendige­n psychische­n Rückhalt“geboten.

Neben Bestechung, Untreue und Geldwäsche geht es auch um Beweismitt­elfälschun­g. Grasser soll u. a. mit Meischberg­er „falsche Beweismitt­el“hergestell­t haben, um zu verschleie­rn, dass er der wirtschaft­lich Berechtigt­e eines Kontos in Liechtenst­ein sei. Auf diesem Konto, das Meischberg­er für sich beanspruch­t, soll ein Drittel der Buwog-Provisione­n gelandet sein. Alle Vorwürfe wurden von den Angeklagte­n stets bestritten, und es gilt die Unschuldsv­ermutung.

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Das Projekt des Terminal Tower in Linz, den Porr und Raiffeisen Oberösterr­eich errichtete­n, hat ein gerichtlic­hes Nachspiel.

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