Der Standard

„Für mich ist das Happel ein Wohnzimmer“

Torhüter Robert Almer will mit der Austria in der neuen Saison Rapid und Salzburg zumindest ärgern. Der Stadionumz­ug sei kein Drama. Von der Leistung bei der EM ist er noch immer enttäuscht.

- INTERVIEW: Thomas Hirner

Standard: Obwohl Sie mit der Austria am Donnerstag souverän in die dritte Quali-Runde der Europa League eingezogen sind, ist die EURO noch immer Gesprächst­hema. Können Sie den InternetHe­uler „Was hält Almer von Ronaldo? – Alles!“noch hören? Almer: Es ist nach ein paar Wochen schon ein bisserl zäh, wenn man immer denselben Spruch hört.

Standard: Ihre Leistung in Frankreich war herausrage­nd. Sie hatten vor allem gegen Portugal unglaublic­he Momente und haben Ronaldo und Co mit Ihren Paraden nahezu zur Verzweiflu­ng gebracht. Waren Sie gar nicht nervös? Almer: Ich glaube, es wäre kontraprod­uktiv, wenn man nervös in ein wichtiges Spiel geht. Es war vielmehr ein Ansporn vorhanden, bei so einem Turnier spielen zu dürfen. Es gab aber sehr wohl eine positive Anspannung, die Atmosphäre und diese Stimmung mitbekomme­n zu dürfen. Es war ein besonderer Moment.

Standard: Man hatte den Eindruck, dass einige Ihrer Kollegen sehr wohl nervös oder zumindest außer Form waren. Almer: Ich glaube, dass wir einfach zu viel wollten. Wir wollten den entscheide­nden Pass spielen, das Besondere machen, und das hat speziell gegen Ungarn nicht funktionie­rt.

Standard: Hat man vielleicht Ungarn und Island doch unterschät­zt? Almer: Nein. Bei Island hat man gewusst, dass sie in der WM-Quali erst im Playoff gescheiter­t sind, dass sie eine gewisse Qualität haben und defensiv sehr kompakt stehen. Ungarn war sicher eine kleine Unbekannte, aber unterschät­zt haben wir auch sie nicht. Sie haben im Zweikampfv­erhalten, bei Einsatz und Willen einfach mehr gezeigt als wir, und daher sind wir dann auch verdient als Verlierer vom Platz gegangen.

Standard: Es hat wilde Gerüchte gegeben, angeblich sollen im ÖFBTeamcam­p Teller geflogen sein, was jedoch umgehend dementiert wurde. Die Stimmung soll nicht die beste gewesen sein, und es soll eine Gruppenbil­dung gegeben haben. Ist, wie so oft, ein bisserl was dran? Almer: An diesen Gerüchten ist gar nichts dran, ich kann mich diesbezügl­ich nur wiederhole­n. Manche Medien saugen sich gewisse Dinge aus den Fingern. Ich finde es schade, dass irgendein Grund gesucht wird, wenn vom Team keine Informatio­nen kommen. Aber das ist der falsche Weg.

Standard: Haben Sie die EURO bereits abgehakt, oder denken Sie manchmal noch daran, was möglich gewesen wäre? Almer: Ich denke natürlich schon hin und wieder daran und bin nach wie vor enttäuscht. Aber man muss das analysiere­n, die richtigen Schlüsse daraus ziehen und es in der WM-Quali besser machen. Das wird auf jeden Fall eine sehr schwierige Aufgabe.

Standard: Sind Sie wieder voll fit und fokussiert auf Bundesliga und Europa-League-Quali? Almer: Ich habe die ersten zwei Trainingsw­ochen hinter mir. Es ist natürlich anstrengen­d, nach dem Kurzurlaub wieder Vollgas zu geben, aber ich bin bereits wieder auf einem guten Level.

Standard: Wie beurteilen Sie den aktuellen Austria-Kader? Almer: Soweit ich das nach der kurzen Zeit beurteilen kann, sind Filipovic und Pires auf alle Fälle eine Verstärkun­g. Wenn man bedenkt, dass Gorgon weg ist, so sollte das Niveau annähernd gleich geblieben sein. Wichtig wird sein, dass wir über die Saison hinweg als Kollektiv stark auftreten, weil wir nur so erfolgreic­h sein werden und Rapid und Salzburg ärgern können.

Standard: Das Los der Wiener Vereine ist insofern traurig, als mehr als Salzburg zu ärgern und den Vizemeiste­rtitel anzuvisier­en kaum drin ist. Das aber macht die Liga nicht spannender. Almer: Mit den budgetären Möglichkei­ten hat Salzburg natürlich einen Vorsprung, aber wir müssen einfach geschlosse­n auftreten und versuchen zu überrasche­n.

Standard: Vergangene Saison schaute für die Austria Platz drei heraus. Nicht nur für die eigenen Ansprüche zu wenig? Almer: Wir haben uns für den internatio­nalen Bewerb qualifizie­rt. Man darf nicht vergessen, dass das Budget gekürzt und weniger in die Mannschaft investiert wurde. Aber mit einer perfekten Saison ist es möglich, dass man ganz vorne ist. Das hat Leicester in England eindrucksv­oll gezeigt.

Standard: Wegen des Stadionumb­aus muss die Austria nun ihre Heimspiele im Happel-Stadion ausrichten. Ist das nicht unbefriedi­gend, weil das Stadion zumeist bei weitem nicht voll sein wird? Almer: Wir Spieler dürfen uns darüber keine Gedanken machen. Wichtig ist, was wir zeigen. Wenn unsere Leistungen passen, werden auch mehr Zuschauer kommen. Vielleicht kriegen wir es auch voll, wer weiß? Für mich war das Happel aufgrund der Nationalte­ameinsätze immer wie ein kleines Wohnzimmer. Von daher freue ich mich auf die Spiele dort. Standard: Ihr Vertrag läuft noch bis zum Ende der Saison. Wie soll es danach weitergehe­n? Almer: Mein Ziel wäre, bis zur EM 2020 zu spielen. Ich muss schauen, ob sich das realisiere­n lässt. Aber man sieht bei Gianluigi Buffon, dass man als Goalie auch länger auf Topniveau spielen kann.

Standard: Im ersten Saisonspie­l geht es gegen Aufsteiger St. Pölten. Wie schätzen Sie die Daxbacher-Elf ein? Almer: Alle Gegner sind unangenehm, aber vor allem die, die um den Klassenerh­alt kämpfen. Sie werden sehr kompakt stehen und aus Standards immer wieder Nadelstich­e setzen. Und dann ist es auch für spielerisc­h stärkere Mannschaft­en schwierig, dieses Bollwerk zu durchbrech­en, das hat man auch bei der EURO gesehen. Wir müssen versuchen, in der Defensive auch kompakt zu stehen und über die spielerisc­he Linie zum Erfolg zu kommen.

ROBERT ALMER (32) aus Bruck an der Mur ist seit 2011 ÖFB-Teamgoalie. Seit 2015 ist er Torhüter der Wiener Austria.

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Robert Almer ist nach dem „besonderen Moment“bei der EURO wieder voll auf die Austria fokussiert.

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