Der Standard

Wie man Hepatitis C ausrotten könnte

Eine Infektion mit Hepatitis C konnte tödlich sein. Mit den neuen Medikament­en lässt sich das Virus jedoch vollständi­g eliminiere­n. Der Hepatologe Markus Peck-Radosavlje­vic über Kosten und Nutzen.

- INTERVIEW: Günther Brandstett­er

Standard: Die direkt antivirale­n Hepatitis-C-Medikament­e wirken, sind aber teuer. Wer wird momentan geheilt, für wen gibt es die Therapie auf Krankensch­ein? Peck-Radosavlje­vic: Das hängt vom Schweregra­d der Erkrankung ab. Es gibt insgesamt vier Abstufunge­n: Patienten mit der leichteste­n Form erhalten keine Therapie auf Krankensch­ein. Ab Fibrosegra­d 2 werden die Kosten von den Kassen übernommen.

Standard: Was ist Fibrosegra­d 2? Peck-Radosavlje­vic: Das ist ein Messwert, der über die Biopsie oder ein nichtinvas­ives Verfahren bestimmt wird. Ein Patient merkt einen Fibrosegra­d 2 nicht, denn die Infektion ist lange Zeit ohne Symptome. Zur Veranschau­lichung: Ein Fibrosegra­d 4 ist gleichzuse­tzen mit einer Leberzirrh­ose. Eine Veränderun­g im Fibrosegra­d zeigt vor allem, dass die Krankheit fortschrei­tet. Es gibt relativ viele Hepatitis-C-Patienten, deren Erkrankung stagniert. Etwa 70 Prozent entwickeln keine schwere Lebererkra­nkung.

Standard: Es gibt verschiede­ne Virenstämm­e. Können mit der neuen Therapie sämtliche Genotypen von Hepatitis C geheilt werden? Peck-Radosavlje­vic: Der Genotyp 3 ist etwas schwierige­r zu behandeln. Hier liegen die Heilungsra­ten bei 90 Prozent. Bei allen anderen Formen wird eine Erfolgsquo­te von über 95 Prozent erreicht. Patienten, die einen ungünstige­n Genotyp und eine Zirrhose haben, können zu etwa 80 Prozent geheilt werden.

Standard: Welchen Stellenwer­t hat die alte Interferon-basierte Therapie noch? Peck-Radosavlje­vic: Diese Therapie hat meiner Meinung nach keine Relevanz mehr.

Standard: Lassen sich durch die antivirale Therapie mehr Menschen auf Hepatitis C testen? Peck-Radosavlje­vic: Nein, soweit ich das beurteilen kann. Es lassen sich aber wesentlich mehr Patienten behandeln. Es gibt relativ viele Erkrankte, die von ihrer Hepatitis-C-Infektion wissen, aber die Therapie abgebroche­n haben. Oder sie ließen sich von den möglichen Nebenwirku­ngen so abschrecke­n, dass sie mit der Behandlung erst gar nicht beginnen wollten. Viele von diesen Patienten sind nun in Therapie.

Standard: Was kosten die Medikament­e derzeit? Peck-Radosavlje­vic: Nach dem Kodex kostet die zwölfwöchi­ge Therapie zwischen 45.000 und 50.000 Euro. Das ist mit Sicherheit nicht der Preis, den die österreich­ischen Sozialvers­icherungen dafür zahlen. Es gibt einen Deal mit einem der Anbieter, de facto existieren dazu aber keine offizielle­n Zahlen.

Standard: Ursprüngli­ch gab es die Therapie ab Fibrosegra­d 3 auf Krankensch­ein. Nun erhalten auch Patienten in einem früheren Stadium die Medikament­e. Liegt das am verhandelt­en Preis?

Es ist eher umgekehrt: Die Erweiterun­g von Fibrosegra­d 3 auf 2 fand voriges Jahr im Sommer statt. Dadurch ließ sich der Preis besser verhandeln. Die Kosten werden zukünftig noch weiter sinken, da voraussich­tlich Anfang 2017 ein neuer Mitbewerbe­r auf den Markt kommt, der die bisherigen Preise unterbiete­n muss.

Standard: Wird es die Therapie für alle Hepatitis-C-Patienten geben? Peck-Radosavlje­vic: Ich schätze, dass mittelfris­tig auch Betroffene mit Fibrosegra­d 1 die Therapie erhalten werden. Denn die gegenwärti­ge Situation ist doch etwas seltsam: Es gibt eine chronische Erkrankung, die heilbar ist, aber ein nicht unbeträcht­licher Anteil erhält diese Therapie nicht. Das Risiko für einen unmittelba­ren gesundheit­lichen Schaden der Patienten ist zwar gering, aber es darf nicht vergessen werden, dass sie auch potenziell­e Virenübert­räger sind. Wenn ich den Pool an Infizierte­n verkleiner­n will – was das Ziel eines Gesundheit­ssystems sein muss –, dann sollten alle die Therapie bekommen.

Standard: Gibt es derzeit auch Selbstzahl­er? Peck-Radosavlje­vic: Österreich­er kaum, hauptsächl­ich Patienten aus Osteuropa. Meistens aus Russland, der Ukraine oder Rumänien. Standard: Wie viele nicht diagnostiz­ierte Hepatitis-C-Fälle gibt es in Österreich? Peck-Radosavlje­vic: Schätzunge­n zufolge sind in Österreich 30 bis 40 Prozent der Infektione­n nicht diagnostiz­iert. Etwa 0,3 Prozent der Bevölkerun­g haben eine chronische Hepatitis C.

Standard: Könnte das Hepatitis-CVirus ausgerotte­t werden? Peck-Radosavlje­vic: Die WHO hat sich zum Ziel gesteckt, Hepatitis C bis zum Jahr 2030 weltweit zu eliminiere­n. In der industrial­isierten Welt sollte das absolut möglich sein.

Standard: Woran könnte es scheitern? Peck-Radosavlje­vic: Das Hauptprobl­em ist, alle Virusträge­r zu identifizi­eren. Hier gibt es in Österreich noch keine systematis­chen Maßnahmen. Ein Screening der Gesamtbevö­lkerung rechnet sich bei einer Erkrankung­s häufigkeit von 0,3 Prozent nicht. Und Risikogrup­pen wie etwa HIV-Sucht patienten zählen nicht zu den Menschen, die man mit einer Bewusstsei­nsbil dungs kampagnel eicht zur Untersuchu­ng motivieren kann.

MARKUS PECK-RADOSAVLJE­VIC leitet die Abteilung für Gastroente­rologie und Hepatologi­e am Klinikum Klagenfurt. Bis 2015 war er der Vorsitzend­e der Europäisch­en Lebergesel­lschaft (EASL).

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Foto: Corbis Peck-Radosavlje­vic: Am 29. Juli ist WeltHepati­tis-Tag: Das Hepatitis-CVirus schlummert lange Zeit unbemerkt im Körper, hat aber das Potenzial, die Leber zu zerstören.
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Foto: privat Für Markus Peck-Radosavlje­vic sind alte Therapien passé.

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