Der Standard

Ach Nizza!

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Ach Nizza! Wenn Sie mich nach meinen drei Lieblingso­rten fragen würden, dann wäre die südfranzös­ische Stadt sicher ein Fixstarter.

Jetzt schön blöd – niemand hat den geschäftsf­ührenden Chefredakt­eur der „ Kronen Zeitung“Klaus Herrmann gefragt, er aber drängt dem Publikum seinen Fixstarter dennoch auf. Er hätte sein Geheimnis vielleicht auf ewig für sich behalten – und was wäre der Menschheit doch verloren gegangen –, hätte es ihm nicht ein Attentäter entrissen. Nicht nur ach Nizza, sondern viel mehr seiner Lieblingso­rte. Eine große Portion Italien, eine Überdosis der schönsten Seite(n) Frankreich­s, gewürzt mit einer Prise (alt-)österreich­ischem Flair, ein bissl Wien, vielleicht ein Haucherl Graz ... Herz, was willst du mehr?

Wie wär’s mit einem Haucherl weniger Kitsch und der Fähigkeit, bis drei zu zählen? Keine Chance! Und dann wird in dieses Herz so tief hineingest­ochen! Hineingest­ochen in das chefredakt­eurliche Herz wurde mit einem Lastauto, aber das soll nicht weiter stören. Denn es taucht ein junger Tunesier diese wunderba- re Promenade des Anglais, die man immer nur mit Sonnengelb, Meeresblau und Palmengrün assoziiert, in blutiges Rot. Und das Unheil nahm auch in der Redaktion der „Krone“seinen Lauf.

Wir haben am Freitag in der Redaktions­konferenz lange diskutiert, wie so etwas Unfassbare­s in Worte zu fassen wäre. Und Unfassbare­s in Worte zu fassen ist eine Spezialitä­t, die der „Krone“täglich gelingt, selbst wenn es der Redaktion gar nicht auffällt. So auch an besagtem Freitag, und wie konnte es anders sein? Hilflosigk­eit war ein Gedanke. Oder: Was jetzt? Noch war man aber mit der Fassung des Unfassbare­n nicht ganz zufrieden. Ein Kollege schlug Schon wieder als Schlagzeil­e vor. Ja, das wäre auch zutreffend.

Aber des sorgfältig­en Feilens an der Formulieru­ng des Unfassbare­n wollte kein Ende sein. Dieses Grauen, diese auch persönlich­e Betroffenh­eit innerhalb unse- rer Redaktion führte dann letztlich zur Schlagzeil­e unserer Samstagsau­sgabe: Erschütter­nd. Und nicht genug damit. Wir haben noch darüber diskutiert, ob dieses Erschütter­nd eines Rufzeichen­s zur Unterstrei­chung bedarf. Die Unterstrei­chung des Erschütter­nden mittels Rufzeichen ist dann unterblieb­en. Nein, wir haben es uns gespart. Spare in der Zeit, dann hast du in der Not genug Rufzeichen, mag sich die Redaktion gedacht haben. Nein, diese Erschütter­ung braucht nicht auch noch ein Rufzeichen, wer weiß, wozu man sie noch benötigt. Nizza und dann wenige Stunden später der Putsch(-versuch) in der Türkei: Es geht fürchterli­ch rund. Kann ein Land wie Österreich noch eine Insel der Seligen bleiben? Welch eine Frage fürs Wochenende.

Der Chefredakt­eur ist dafür durchzuhal­ten. Müssen wir uns an die Angst gewöhnen? „Gewöhnen“vielleicht, ja, aber abfinden mit diesen Bedrohunge­n? Niemals! Ohne Rufzeichen geht es eben doch nicht.

So fasziniere­nd es ist, der „Krone“- Redaktion bei einem Haucherl von Denken zuschauen zu dürfen, so qualvoll der Anblick ihrer Leiden. Medien-Minister Thomas Drozda liegt ein skandalöse­r Reformentw­urf zur Presseförd­erung vor. Statt wie bisher 8,5 Millionen Euro sollen jetzt staatliche Förderunge­n von 35 Millionen Euro pro Jahr vor allem an Zeitungen ausgeschüt­tet werden, die wenig Leser, aber etwa „politisch-korrekte Inhalte“haben oder sich „wohlverhal­ten“, vermutet der freiheitli­che Sonntagsko­lumnist des Blattes.

Politisch-korrekte Inhalte – das wäre ja noch schöner! Da kann es sich nur um Wohlverhal­ten handeln, und das ergötzt sogar die „Krone“. Besonders amüsant ist der Plan, dass Zeitungen, wie etwa die „Krone“, ab „drei medienethi­schen Verstößen“ein Jahr lang für alle öffentlich­en Inserate gesperrt sein sollen. Es ist erhellend, dass sie sich selbst medienethi­sch nicht allzu hoch einschätzt, aber öffentlich­es Geld dafür will.

Klar, dass sich Leserbrief­schreiber fanden, die den Kolumniste­n nachbetete­n. Jetzt kommt der nächste Anschlag auf die Meinungsfr­eiheit, der Presserat will der freien Presse – ist gleich „Krone“– einen politisch korrekten Maulkorb umhängen.

Die „Krone“ließ sich stets gern subvention­ieren, und die Wahrheit hat sie gepachtet. Aber wenn es ums Geld geht, hört der Spaß auf, und ein Haucherl von Erpressung weht durch den Raum. Sollte Minister Drozda unter „New Deal“mehr staatlich subvention­ierte Presse und Schaffung einer Art „Wahrheitsm­inisterium“verstehen, könnte er schon bald „ausgedealt“haben.

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