Der Standard

Wenige Brücken zur Türkei

- Margarete Affenzelle­r

Jeder braucht eine Sommerpaus­e. Maybrit Illner aber hat sie wirklich verdient. Ihre Diskussion­ssendung im ZDF setzt fünf Wochen aus. Zum Abschied lag es an der stets gefassten, sachlich sattelfest­en Moderatori­n, einen Disput über Wesen und Folgen des Putsches in der Türkei anzuleiten. Wie selten im deutschen Fernsehen gingen die Emotionen hoch.

Insbesonde­re deshalb, weil der Erdogan-Getreue Mustafa Yeneroglu (AKP) nicht müde wurde, die Säuberunge­n in den Dienst der „Demokratie“zu stellen. Yeneroglu ist Vorsitzend­er des Menschenre­chtsaussch­usses des türkischen Parlaments und hat also gerade frei.

Wie sehr die Positionen an diesem runden Tisch einander fremd waren, wie wenige Brücken es zur türkischen Politik derzeit gibt, machten diese 63 Minuten überdeutli­ch (nachzusehe­n in der ZDF-Mediathek).

Yeneroglu verglich die Putschiste­n mit dem RAF-Terror; Sevim Dagdelen (Die Linke) sprach in Bezug auf die Suspendier­ungen, Folterunge­n, Drohungen von einer „Pogromstim­mung gegen Andersdenk­ende“. Andreas Scheuer von der CSU stellte klar, dass die jetzige Erdogan-Politik in der Europäisch­en Union keinen Platz haben könne etc.

Wer hätte gedacht, dass in diesen hochkochen­den Wortgefech­ten am Ende jemand noch einen positiven Gedanken fassen würde können.

Dazu in der Lage war ein besonnener Wissenscha­fter: Historiker Michael Wolffsohn räumte ein, dass Deutschlan­d und die EU durch die Migrations­ströme längst Teil des Nahen Ostens geworden seien und es nun für die hier lebende türkische Minderheit die Chance gebe, ganz klar zu zeigen, für welche Werte sie einstehe. Das war als Aufruf zu verstehen. pderStanda­rd. at/TV-Tagebuch

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