LESERSTIMMEN
Befremdliches Befremden
Betriff: Leserbrief „Mehr Solidarität erhofft“von Hasan Gögüş
der Standard, 21. 7. 2016 Mit „Befremden und Bestürzung“verfolgt der türkische Botschafter die Meldungen im Standard wahrscheinlich nur deshalb, weil hier versucht wird, die ganze Wahrheit zur Sprache zu bringen. Was derzeit in den türkischen Gefängnissen passiert, werden wir trotzdem nie erfahren.
Der Ausnahmezustand wurde angeordnet, um geltende Gesetze außer Kraft zu setzen. So gesehen klingt die Aussage „Den Beteiligten des Putsches wird durch die unabhängigen Justizorgane im Rahmen geltender Gesetze der Prozess gemacht“einfach nicht glaubwürdig.
Die nach dem Putschversuch weltweit gezeigte Solidarität scheint Hasan Gögüş zu wenig zu sein. Er hätte erwartet, dass die „österreichischen Freunde der Türkei“sich mit Fahnen in der Hand den Protesten angeschlossen hätten.
Es bestürzt uns Österreicher, dass ein Botschafter Aufmärsche, bei denen „Sag es und wir töten! Sag es und wir sterben!“skandiert wird, gutheißen kann. Das hat doch nichts mehr mit einem Protestmarsch für eine Demokratie zu tun. Abgesehen davon ist uns keine Demokratie – die diese Bezeichnung verdient – bekannt, in der Säuberungsaktionen dieses Ausmaßes stattgefunden haben.
Wenn man solche Aussagen von einem Botschafter lesen muss, dann kann man sich vorstellen, was solche Parolen in der Türkei bewirken. Das, was den Österreichern Sorgen bereitet, ist nicht der stümperhafte Putschversuch, der mit Leichtigkeit vereitelt wurde.
Dass aber die Demokratie in der Türkei gerade mit „wehenden Fahnen untergeht“, das macht betroffen. Egon Hofer
9063 Maria Saal
Ergänzungen zur Gesamtsicht
Betriff: „Recht oder Macht im Südchinesischen Meer“von Alfred Gerstl derStandard, 18. 7. 2016 Zum interessanten und in der Schlussbetrachtung hinsichtlich Maßnahmen zur Deeskalation konstruktiven Artikel des Kollegen Gerstl habe ich als Lektor für die Wirtschaftsgeografie Chinas einige Ergänzungen im Sinne einer Gesamtsicht:
1.) China hatte historische Ansprüche im Südchinesischen Meer nicht erst jetzt, auch nicht erst ab 1949, sondern schon viel früher angemeldet – daher jetzt auch der Gleichklang mit Taiwan.
2.) Die im Gange befindliche Wende in Japan zu einer offensiven Militärstrategie – gegen den Willen der Bevölkerung – lässt in China verständlicherweise alle Alarmglocken läuten, was auch zu Überreaktionen führen mag.
3.) Die von der USA nie aufgegebene Containmentstrategie gegenüber China ist in den letzten Jahren deutlich verstärkt worden; auch das mag Überreaktionen auslösen.
4.) Dass sich ausgerechnet die USA – die sich als natürliche Herren des Pazifiks betrachten – nun als Hüter des Seerechts gegenüber China betätigen, ist kurios, da ja die USA für sich selbst bekanntlich das Seerecht nicht akzeptieren.
5.) Nicht nur China, auch andere Staaten haben in den letzten Jahren Insel aufgeschüttet und militärische Einrichtungen angelegt, wobei sich das laufend aufschaukelt.
Das gesagt, erkenne ich sehr wohl eine Zunahme nationalistischer Tendenzen in China. Da nach dem fatalen Krieg gegen Vietnam 1979 eine generell friedvolle Außenpolitik Chinas und – etwa im Vergleich zu den USA pro Kopf sehr – geringe Rüstungsausgaben ein wichtige Quelle der raschen Entwicklung seither waren (im Gegensatz zur Sowjetunion nahm China an keinen Rüstungswettläufen teil), würde ein Abgehen davon auch die wirtschaftliche Dynamik verringern.
Im Übrigen ein Lösungsansatz: Wenn die Pariser Klimaverträge umgesetzt werden sollen, können sowieso nur mehr 20 Prozent der fossilen Energievorräte genutzt werden; was macht es da für einen Sinn, gerade dort in der Tiefsee Öl und Gas zu fördern, wo es am teuersten ist? Josef Baum
Institut für Geographie und Regionalforschung und Institut für Ostasienwissenschaften
Universität Wien