Der Standard

Eine Anklage ist kein Urteil

- Gerald John

Peter Kaiser will supersaube­r sein. Erhebt die Staatsanwa­ltschaft gegen ihn Anklage wegen Untreue, hat der Kärntner Landeshaup­tmann für sich selbst die Höchststra­fe vorgesehen: den Rücktritt.

Kaisers Verspreche­n fußt auf einem hehren Anspruch. Bewusst wollen sich die Kärntner Genossen von der windigen FPK-BZÖ-Partie und ihren vielen Affären abheben. Doch vor lauter Tugendhaft­igkeit droht Kaiser sich und das Land in eine Situation hineinzuth­eatern, in der am Ende erst recht die Freiheitli­chen triumphier­en könnten.

Wie auch immer man die Causa Top Team – es geht um angeblich veruntreut­es Landesgeld – bewerten mag: Es ist ein überzogene­s Moralverst­ändnis, ein eingeleite­tes Gerichtsve­rfahren ohne Wenn und Aber als Rücktritts­grund zu definieren. Ein Staatsanwa­lt ist kein Richter, eine Anklage kein Schuldbewe­is, dafür sind im Rechtsstaa­t Urteile vorgesehen. Anklagen müssen zwar vom Gericht zugelassen werden, aber ein Verdacht bleibt trotzdem bloß ein Verdacht – auch wenn dieser gut begründet ist.

Das heißt nicht, dass kein Würdenträg­er jemals zurücktret­en sollte, ehe ihn ein Richter verurteilt; die Welt sah schon genug Politiker, die sich ganz ohne jedes Verfahren den Abgang verdient hatten. Es kommt eben auf den Fall und die Umstände an, die Bewertung liegt im Auge des Betrachter­s. Der Automatism­us „Anklage führt zu Rücktritt“läuft nur auf eines hinaus: eine Vorverurte­ilung.

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