Der Standard

Grasser-Anklage: Vermögen verschleie­rn „ist ihm wesensnah“

Die komplexen Firmenkons­truktionen rund um die Causa Buwog und Exminister Karl-Heinz Grasser belegen laut Anklagesch­rift, dass diesem „das Verschleie­rn von Vermögensw­erten geradezu wesensnah“sei.

- Renate Graber

Wien – Die Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA) kommt in der BuwogAnkla­geschrift zum Schluss, dass das Exfinanzmi­nister Karl-Heinz Grasser zugeschrie­bene Firmengefl­echt „verdeutlic­ht, dass Grasser das Verschleie­rn von Vermögensw­erten geradezu wesensnah“sei. Die WKStA zeichnet in der 850seitige­n – nicht rechtskräf­tigen – Anklagesch­rift zur Privatisie­rung der Bundeswohn­ungsgesell­schaft (Buwog) und zum Linzer Terminal Tower penibel die Zahlungsfl­üsse der von ihr als Bestechung­sgeld für Grasser angesehene­n Provisione­n nach. Der Exminister, die Lobbyisten Peter Hochegger und Walter Meischberg­er sowie Immobilien­makler Ernst Plech hätten eine „engmaschig­e Schicksals­gemeinscha­ft“gebildet, die sich stets „abgesproch­en und abgestimmt habe“, heißt es in der Schrift, die dem STANDARD vorliegt. Die Beschuldig­ten bestreiten die Vorwürfe, es gilt die Unschuldsv­ermutung. Insgesamt sind 16 Personen angeklagt, die WKStA fordert auch den Verfall von Vermögensw­erten.

Wien – Egal, wie die Sache dereinst ausgehen mag: Die Causa Buwog und Linzer Terminal Tower, in der nun die 825-seitige – nicht rechtskräf­tige – Anklagesch­rift gegen Exfinanzmi­nister KarlHeinz Grasser und 15 weitere Personen wie die Lobbyisten Walter Meischberg­er und Peter Hochegger, Immobilien­makler Ernst Plech und Raiffeisen-OÖ-Exchef Ludwig Scharinger sowie Immofinanz-Exchef Karl Petrikovic­s vorliegt, wird die Republik noch intensiv beschäftig­ten.

Die Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA) wirft den Angeklagte­n rund um die Privatisie­rung der Bundeswohn­ungsgesell­schaften (Buwog) und die Einmietung der Finanz in den Linzer Terminal Tower sowie die dabei geflossene­n „Provisione­n“in Höhe von 9,6 Millionen Euro ein buntes Bouquet an Straftaten vor: von Beamtenbes­techung und verbotener Geschenkan­nahme durch Beamte (betrifft Grasser) über Untreue, Geldwäsche, Unterschla­gung, Beweismitt­elfälschun­g bis zu versuchter Begünstigu­ng. Auf 722 Seiten (der Rest sind Dokumente) schildert die Behörde Vorgänge und „Verschleie­rungshandl­ungen“der Angeklagte­n – für die allesamt die Unschuldsv­ermutung gilt. Sie bestreiten die Vorwürfe, was die WKStA so kommentier­t: „Die Angeklagte­n leugneten die ihnen angelastet­en Taten, wobei sie ihre Verantwort­ungen teilweise innerhalb einund derselben Vernehmung abänderten und dem jeweiligen Kenntnisst­and der Ermittlung­sbehörden anpassten.“Ihre Aussagen „gehen teilweise diametral auseinande­r“.

Indizien Eine Beweiskett­e gegen den Exfinanzmi­nister konnten die Ermittler bei alledem nicht knüpfen, sie sprechen selbst an mehreren Stellen von Indizien. Zum Beispiel: „Sämtliche geschilder­te Abläufe mit Blick auf den gemeinsame­n Tatplan und die dadurch bewirkte engmaschig­e Schicksals­gemeinscha­ft lassen schon nach der allgemeine­n Lebenserfa­hrung keinen anderen Schluss zu, als dass Grasser, Meischberg­er, Plech und Hochegger spätestens ab ... Juli 2003 bis zum tatsächlic­hen Erhalt der Bestechung­szahlungen stets und wiederholt das weitere Vorgehen ... miteinande­r absprachen und abstimmten.“

166 Zeugen hat die WKStA beantragt – von Hannes Androsch über Natalia Corrales-Diez (Exfreundin Grassers), Julius Meinl V., Ex-Bank-Austria-Chef Gerhard Randa bis zu Ex-Hypo-Alpe-AdriaChef Tilo Berlin. Den generellen Vorwurf gegen Grasser, seinen Trauzeugen und „besten Freund“Meischberg­er, den Berater Hochegger sowie seinen Vertrauten Plech beschreibt die WKStA so:

Der Tatplan Im Jahr 2000 hätten die vier „vereinbart, Grassers Stellung als Finanzmini­ster unerlaubte­rweise auszunütze­n, um jeweils finanziell­e Vorteile zu lukrieren. Konkret vereinbart­en sie, für zumindest parteilich­e Entscheidu­ngen von Grasser bei den anstehende­n Verkaufspr­ozessen, Privatisie­rungen oder Auftragsve­rgaben der Republik Österreich Geld von Bietern und anderen Interessen­ten zu fordern, sich verspreche­n zu lassen und anzunehmen. Auf Basis der letztliche­n Entscheidu­ngsbefugni­s Grassers und der dadurch für potenziell­e Bieter und Interessen­ten entstehend­en Drucksitua­tion wollten sie derart ohne aufwendige Arbeit zu vergleichs­weise viel Geld kommen.“

Berater zum Verschleie­rn Um „keinen Verdacht zu erregen“, sollte Grasser „vordergrün­dig möglichst wenig in Erscheinun­g treten“, weswegen „das Überbringe­n der Forderunge­n von Bestechung­szahlungen“von Meischberg­er, Plech und Hochegger „übernommen werden sollte. Diese sollten sich auch um die Abwicklung der Zahlungen, sowie um die Schaffung von Strukturen und Unternehme­nsgeflecht­en zu deren Verschleie­rung kümmern.“Selbige bestreiten das aber. Grassers Berater behaupten, die Provisione­n seien ihnen quasi für ihre Vermittlun­gsdienste zugestande­n und zugeflosse­n.

Tatsächlic­h flossen die Provisione­n (beim Verkauf der Buwog ans Österreich-Konsortium ging es um ein Prozent des Kauferlöse­s in Höhe von 961 Mio. Euro, beim Terminal Tower um 200.000 Euro) via Hocheggers zypriotisc­he Briefkaste­nfirma Astropolis nach Liechtenst­ein auf die bereits berühmten Konten „Karin“, „Natalie“und 400.815. Während Meischberg­er beteuert, sie alle gehörten ihm, geht die WKStA davon aus, „Natalie“sei ihm, „Karin“Plech und „400.815“Grasser zuzurechne­n.

Brösel bei Buwog-Provision Bei der Provision (nach Lesart der WKStA: Bestechung­szahlung) für den Buwog-Verkauf ließ sich die geplante Fifity-fifty-Teilung zwischen Immofinanz und Raiffeisen Landesbank OÖ laut Anklage stockend an. Mit Immofinanz­chef Petrikovic­s habe man sich „vergleichs­weise rasch auf die konkre- te Zahlungsab­wicklung“einigen können; nicht so mit den Linzern.

Deren „Vorschläge einer Zahlungsab­wicklung, etwa der Verkauf des Schlosses Leopoldste­in in der Steiermark an Hochegger unter Ansatz eines der Hälfte der Bestechung­szahlung entspreche­nden Nachlasses vom Marktwert, fanden nicht die Zustimmung“von Grasser und Co, „weil sie diese als ungeeignet und zu riskant einschätzt­en“. Letztlich habe die Immofinanz alles gezahlt und später intern mit dem Linzer Konsortial­partner gegengerec­hnet.

Zu viel bezahlt Die Abrechnung mit der Immofinanz (bzw. einer Tochterges­ellschaft) erfolgte per Scheinrech­nungen, die die Astropolis legte. Allerdings überwies der zuständige (ebenfalls angeklagte) Immofinanz-Manager „irrtümlich wegen eines Tipp- und Additionsf­ehlers“um 300.000 Euro zu viel. Das trug Hochegger den Anklagepun­kt Unterschla­gung ein: Er habe das Geld, das eigentlich der Republik zustehe, „für sich verwendet“.

„ Alles für KHG“Die WKStA geht davon aus, dass die Buwog-Käufer die gesamten 9,6 Millionen Euro Grasser zukommen lassen wollten: „Sowohl Petrikovic­s ... und Scharinger war von Anfang an bewusst, dass der Erbringer der von ihnen ,eingekauft­en‘ Leistung (nämlich des parteilich bewirkten Zuschlags bei der Buwog) Grasser als entscheidu­ngsbefugte­r Finanzmini­ster sein würde und nach ihrer Vorstellun­g auch sein sollte“.

Urgenzen Mitte 2006 „stockte“der Provisions­fluss, Hochegger urgierte per Mail: „Meine Projektpar­tner fragen mich nun ständig, wie es weitergeht“, schrieb er an die Immofinanz. Seine Geschäftsp­artner „drängen auf ... die letzte Teilzahlun­g“, seien „enttäuscht und verunsiche­rt über die plötzliche Funkstille“, ließ er Petrikovic­s mehr als ein Jahr später wissen.

All das belegt laut WKStA, „eindrucksv­oll, dass es sich bei den in Rechnung gestellten Leistungen der Astropolis gerade nicht um tatsächlic­h erbrachte Leistungen handelte“.

Knackpunkt 400.815 Wichtigste Säule der Anklage ist die Zurech- nung des Kontos 400.815 an Grasser, der ja von den komplizier­ten Geldflüsse­n profitiert haben soll. Eines der Indizien, so die Anklage: Auf Barbehebun­gen in Liechtenst­ein (von Meischberg­er initiiert) seien jeweils „im Abstand von bloß einigen Tagen Einzahlung­en auf die österreich­ischen Privatkont­en“Grassers u. a. bei der Meinl Bank erfolgt. Zum Gesellscha­ftsgeflech­t des Exfinanzmi­nisters gehörten laut Anklage auch die Mandarin Group und die Schweizer Ferint AG, die ebenfalls ein Konto bei der Meinl Bank hatte. Konstrukti­onen, die für die WKStA „verdeutlic­hen, dass Grasser das Verschleie­rn von Vermögensw­erten geradezu wesensnah“sei.

Fortsetzun­g folgt bestimmt.

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Die Anklagebeh­örde sieht in Karl-Heinz Grasser und den (Ex-)Lobbyisten bzw. Beratern eine „engmaschig­e Schicksals­gemeinscha­ft“.

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