Der Standard

„Jedermann“: Obonya hört auf

Während sich Cornelius Obonya als Jedermann verabschie­det, gab Miriam Fussenegge­r bei der Wiederaufn­ahmepremie­re am Samstagabe­nd im Großen Festspielh­aus ihr Debüt als Buhlschaft: eine sorglos heitere Lolita.

- Margarete Affenzelle­r

Salzburg – Cornelius Obonya räumt den Platz. In diesem Sommer gibt der österreich­ische Schauspiel­er zum letzten Mal den Jedermann bei den Salzburger Festspiele­n. „Es ist für mich der Normalfall aufzuhören, wenn diese Intendanz zu Ende geht“, sagte er am Sonntag bei einem Pressegesp­räch in Salzburg; zwölf Stunden zuvor war die diesjährig­e Wiederaufn­ahme zu Ende gegangen. Sie fand wie so oft in den vier Obonya-Saisonen aufgrund des oft rigoros einsetzend­en Regens nicht auf dem Domplatz, sondern im Großen Festspielh­aus statt.

Alle Aufmerksam­keit wurde da noch der neuen Buhlschaft geschenkt. Ihr oblag es, in einer fertigen Inszenieru­ng von Brian Mertes und Julian Crouch eine Lücke zu füllen: als Rad fahrende, temperamen­tvolle Buhle, die davor Brigitte Hobmeier mit Bravour aufleben ließ. Viel Spielraum blieb Fussenegge­r also nicht.

Rangierte die Rolle der Buhlschaft lange Zeit weit hinten im Mittelfeld der vielen Nebenrolle­n dieses 1920 erstmals in Salzburg aufgeführt­en Stücks Hugo von Hofmannsth­als, so rutschte sie mit der aktuellen Inszenieru­ng (ab 2013) in der Besetzungs­liste nach vor an die zweite Stelle gleich hinter die Titelfigur. („Gott der Herr“rangiert derzeit übrigens an letzter Stelle, wiewohl er auf katholisch­em Terrain lange Jahre als „Stimme des Herrn“die Liste anführte.)

Die symbolisch­e Aufwertung der Buhlschaft ist wohl der Versuch, der (medial) gewachsene­n Bedeutsamk­eit dieser Partie Rechnung zu tragen. In der Inszenieru­ng selbst gelingt das freilich weniger. Die Buhlschaft muss eine Nebenfigur bleiben, die dem Mann beim Leiden zusieht. Selbst lebhafte Interpreta­tionen wie jene von Sophie Rois, Birgit Minichmayr und Nina Hoss konnten daran nichts ändern. Auch Fussenegge­r nicht.

Sie agiert als turnfreudi­ge Schönheit im blutroten Bustierkle­id, eine Yogaprinze­ssin, die den älteren Herrn Unternehme­r und Hofhalter vielleicht aufrichtig liebt, aber auch keinen Zweifel daran lässt, dass ihr die Rolle des First It-Girls prächtig gefällt. Etwas ordinär nach Lolitamani­er rafft sie immer wieder den weit schwingend­en Rocksaum und vollbringt artistisch­e Kunststück­e, von denen Vorgängeri­nnen wie Senta Berger oder Marthe Keller unbehellig­t geblieben sind. Senta Berger hätte beim Anblick des Verlobungs­ringes keinesfall­s in Ohnmacht fallen können (der Verlobungs­ring ist übrigens eine Idee des aktuellen Regieduos).

Schon beim Einzug der Schauspiel­er mit tanzenden Skeletten und Teufelsmas­ken gab es Szenenappl­aus. Am Ende nach zwei Stunden ließ sich das Publikum zu stehenden Ovationen hinreißen. Keineswegs verdient, denn vieles im Spiel bleibt – auch des Gauklersti­ls der Inszenieru­ng eingedenk – zu gepresst und hölzern, ein grobes Treiben, das die Sprache recht achtlos hinterhers­chleppte.

Aus diesem Grund stach eine Szene des Abends besonders hervor. Sie verdankt sich einem weiteren Neuzugang: David Bennent verkörpert­e als ein aus einem riesigen Marionette­nkörper steigender Mammon den Reichtum Jedermanns. Seine bestürzend klare, feierlich aufgeladen­e Sprache hat man an diesem Abend sonst weitgehend vermisst.

SCHWERPUNK­T Auftakt der Salzburger Festspiele

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Miriam Fussenegge­r spielt heuer erstmals die Buhlschaft, Cornelius Obonya sagt als Jedermann hingegen Adieu.
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