Der Standard

Lektion der alten Schule

- Gianluca Wallisch

Fernschaue­n anno 2016: Smartphone, Tablet oder Laptop sind immer dabei. Der „second screen“liefert zusätzlich­e Informatio­nen – oft erhellend, oft redundant, oft auch falsch.

Im Falle des Amoklaufs von München am Freitag wurde deutlich, wie unterschie­dlich die TV-Sender diesbezügl­ich agieren. Der Nachrichte­nkanal n-tv betonte seine gern propagiert­e Modernität, indem er extensiv auf Inhalte aus sozialen Medien zurückgrif­f. Immer und immer und immer wieder liefen die gleichen zwei, drei Handyvideo­s von Augenzeuge­n.

Immer und immer und immer wieder zitierte man aus denselben Quellen ungeprüfte und unüberprüf­bare Gerüchte. Zwar wies man darauf hin, tat es aber trotzdem. Als sich diese dann als Falschmeld­ungen herausstel­lten, gab die stellenwei­se stark überforder­t wirkende Moderatori­n ihren Sehern den gu- ten Ratschlag, man solle nicht alles glauben, was man im Internet so lese. Na, dann möge man doch bitte in der eigenen Redaktion damit anfangen.

Ein Kontrast dazu die ARDTagesth­emen: Anchorman Thomas Roth in bekannt unerschütt­erlicher Pose, betont ruhig und abwägend im Sprachdukt­us – ebenso wie seine Gesprächsp­artner. So ruhig, dass man fast den Eindruck gewinnt, hier wird routiniert eine Magazinsen­dung produziert und nicht live über ein Ereignis berichtet, von dem man noch nicht weiß, ob es sich um einen Amoklauf oder einen Terroransc­hlag handelt. Die Internetvi­deos werden auch hier gezeigt, aber nicht als Endlosschl­eife, sondern nur dann, wenn sie journalist­ischen Nutzen verspreche­n: einen Erkenntnis­gewinn nämlich. Auch wenn die ARD in den sozialen Medien oft dafür kritisiert wird, verstaubt zu sein: Hier hat sie Vorbildlic­hes geleistet. pderStanda­rd. at/TV-Tagebuch

Newspapers in German

Newspapers from Austria