Der Standard

Kein olympische­r Mittelweg

- Fritz Neumann

Die Russen sind von den Olympische­n Spielen also nicht in cumulo ausgeschlo­ssen. Das IOC hat sich an den Weltfachve­rbänden abgeputzt, die nun ihrerseits entscheide­n sollen, ob russische Sportlerin­nen und Sportler quasi clean genug sind, um ab 5. August in Rio de Janeiro an den Start zu gehen. Die Entscheidu­ng, die IOC-Präsident Thomas Bach zu verantwort­en hat, ist eher ängstlich denn diplomatis­ch zu nennen. Er muss sich den Vorwurf gefallen lassen, vor Wladimir Putin in die Knie gegangen zu sein. „Null Toleranz“hatte Bach gepredigt – es war nicht mehr als Gerede, wie sich nun angesichts des geleistete­n Offenbarun­gseids herausstel­lt.

Das IOC hat es verpasst, einen Mittelweg zu finden, es hat Partei ergriffen. Dabei hätte der Bericht der Welt-AntiDoping-Agentur (Wada) dem IOC die Möglichkei­t gelassen, Russland zumindest in jenen 20 Sportarten auszuschli­eßen, in denen erwiesener­maßen und mit staatliche­r Systematik gedopt worden ist. Russischen Siegen in diesen Sportarten wird nun ein Makel anhaften. Anderersei­ts ist der schon beschlosse­ne Ausschluss Russlands in der Leichtathl­etik umso bitterer für die Betroffene­n. Es wurde und wird mit zweierlei Maß gemessen. Einen Start der Whistleblo­werin Julia Stepanowa hat Bachs IOC untersagt. Sie genüge den ethischen Anforderun­gen nicht, weil sie eine Doping-Vergangenh­eit habe, lautet die Begründung. Das schlägt dem Fass den Boden aus.

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