Der Standard

Intrigenaf­färe überschatt­et Parteitag für Hillary Clinton

Wahlvorsta­nd der Demokraten versuchte Sanders zu schaden – Spekulatio­nen über russische Hacker

- Frank Herrmann aus Philadelph­ia

Eigentlich sollte es der bisherige Höhepunkt in der Karriere von Debbie Wasserman Schultz werden. Wäre alles nach Plan verlaufen, wäre die aufstreben­de Kongressab­geordnete aus Florida vier Abende hintereina­nder im Rampenlich­t gestanden. Wäre sie nicht über die E-Mail-Affäre gestolpert, die zum Auftakt des Wahlkonven­ts der Demokratis­chen Partei für kräftigen Wirbel sorgt, hätte sie in der Rolle der Cheforgani­satorin Regie geführt.

So aber musste die Vorsitzend­e des Nationalko­mitees der Demokraten (DNC) ihren Rücktritt einreichen – so abrupt, dass klar war, dass Hillary Clinton ihr das Messer an die Brust gesetzt hatte.

Zumindest zu Beginn also wird die Veranstalt­ung im Wells Fargo Center zu Philadelph­ia, die ein Fest der Harmonie werden sollte, von einem Skandal überschatt­et. Erneut wirft eine E-Mail-Affäre die Szenarien über den Haufen, nachdem schon der fahrlässig­e Umgang der damaligen Außenminis­terin Clinton mit E-Mails den Wahlkampf trübte.

Diesmal geht es um 19.252 gehackte Nachrichte­n vom internen Parteiserv­er – veröffentl­icht von der Enthüllung­splattform Wikileaks. Sie ergeben das Bild eines Parteivors­tands, der dem starken Außenseite­r Bernie Sanders einen Stein nach dem anderen in den Weg legte, obwohl die Regeln strikte Neutralitä­t verlangt hätten.

In einer E-Mail vom 21. Mai schlug Wasserman vor, auf bestimmte Aussagen Sanders’ gar nicht erst zu reagieren: Der Mann werde sowieso nicht Präsident. Dann wieder regte ein Mitarbeite­r an: Wenn man erzähle, dass Bernie nichts auf die Reihe kriege, könnte es doch eine schöne Geschichte sein. Um den Hoffnungst­räger der Linken zu stoppen, versuchten DNC-Insider vor den Primaries in Kentucky und West Virginia Zweifel am jüdischen Glauben des Kandidaten zu säen. In Wahrheit sei Sanders ein Atheist, sollte suggeriert werden.

Würdevolle Reaktion

Das Bemerkensw­erteste an dem Kapitel ist, mit welcher Würde der Senator auf die Enthüllung­en reagierte: Er wisse seit langem, dass sich das DNC nicht fair verhalten habe. Nach Sanders’ Worten haben die Demokraten alles einem einzigen Ziel unterzuord­nen: zu verhindern, dass Donald Trump im November die Wahl gewinnt.

Ebenso bemerkensw­ert sind die außenpolit­ischen Irritation­en, die den Enthüllung­en folgen. Nach Lesart des Clinton-Lagers hat Russland seine Hände im Spiel, womöglich der russische Präsident Wladimir Putin persönlich. Robby Mook, Clintons Wahl- kampfmanag­er, sieht Hacker im Auftrag des Kreml am Werk; sie hätten den Fundus an Wikileaks weitergege­ben. Beweise nennt Mook nicht, glaubt aber ein politische­s Motiv auszumache­n: Die Russen wollten Trump unterstütz­en. Der habe schließlic­h erkennen lassen, dass die USA unter ihm den baltischen Nato-Mitglieder­n im Zweifelsfa­ll den Beistand verweigern könnten, sollten sie von Russland angegriffe­n werden und ihren finanziell­en Verpflicht­ungen im Bündnis nicht nachgekomm­en sein.

Wie die New York Times unter Berufung auf US-Ermittler schreibt, seien die Behörden zum Schluss gekommen, dass die Hacker im Auftrag zweier russischer Geheimdien­ste handelten. Metadaten der publiziert­en E-Mails ließen demnach erkennen, dass die digitale Post durch russische Rechner gelaufen sei.

Im Juni hatte eine vom DNC beauftragt­e Computersi­cherheitsf­irma von einer Gruppe namens „Cozy Bear“gesprochen, die sich bereits vor einem Jahr Zugang zu dem Server verschafft haben soll. Im April soll eine zweite Gruppe, „Fancy Bear“, dazugekomm­en sein, angeblich eine Sparte des russischen Militärgeh­eimdienste­s.

SCHWERPUNK­T Clintons Wahlkampf in Problemen

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Foto: AFP / Gaston de Cardenas Die Parteichef­in der Demokraten, Debbie Wasserman Schultz, muss nach Wikileaks-Enthüllung­en von ihrem Amt zurücktret­en.

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