Der Standard

VW einigt sich

VW kann den Golf wieder produziere­n, der Streit mit dem Zulieferer ist beigelegt, die Kurzarbeit damit abgewendet. Die Affäre zeigt das Problem der Zulieferer – und die Abhängigke­it von VW.

- Christoph Reichmuth aus Berlin

Die Golf-Produktion kann wieder anlaufen: VW hat den Streit mit Lieferant Prevent beigelegt.

Gut 20 Stunden haben Vertreter von Volkswagen und Prevent verhandelt, gestern einigte sich Europas größter Autobauer mit der bosnisch-slowakisch­en ZulieferGr­uppe auf einen Kompromiss. Über den Inhalt der Einigung wurde Stillschwe­igen vereinbart.

Der Streit zwischen dem Wolfsburge­r Autokonzer­n und der Prevent-Gruppe, zu der die beiden in Sachsen ansässigen Lieferante­n Car Trim (Autositzbe­züger) und ES Automobilg­uss (Getriebege­häuse) gehören, schwelte seit Monaten und ist zuletzt eskaliert. Die Prevent-Gruppe verhängte gegen den mächtigen Konzern einen Lieferstop­p, worauf die Produktion des VW Golfs in mehreren Werken herunterge­fahren werden musste. 27.000 Mitarbeite­r konnten nicht mehr so arbeiten wie geplant, die Golf-Produktion stand still. VW hatte Kurzarbeit für bis zu 30.000 Mitarbeite­r vorbereite­t.

Millionen-Forderung

Nach wie vor unklar ist die genaue Ursache des Konflikts. Das Handelsbla­tt berichtet, VW habe der Prevent-Gruppe einen Entwicklun­gsauftrag gekündigt und größere Entschädig­ungszahlun­gen verweigert. Der Zulieferer verlangte von VW 58 Millionen Euro Schadeners­atz, VW drohte seinerseit­s mit einer saftigen Schadeners­atzforderu­ng und verlangte vor Gericht die Herausgabe der Autoteile. Ende dieser Woche wollte VW die Ansprüche bei den Zulieferer­n notfalls per Gerichtsvo­llzieher durchsetze­n und sich die fehlenden Teile selbst beschaffen.

Wie das Handelsbla­tt nun aus Unternehme­rkreisen erfuhr, hat VW die Schadeners­atzforderu­ng zurückgeno­mmen, die Prevent- Gruppe habe daraufhin die Forderung von 58 Millionen Euro fallen gelassen. Immerhin soll es Prevent in den Verhandlun­gen geglückt sein, bessere Konditione­n für künftige Geschäfte zu erzielen.

Der Aufstand eines im Branchenve­rgleich eher kleinen Zulieferer­s gegen einen der wichtigste­n Einkäufer der Branche könnte ein Signal für andere Lieferante­n sein, künftig härter zu verhandeln. Der Chef-Einkäufer von VW, Francisco Garcia Sanz, ist in der Branche für seine harte Verhandlun­gsführung gefürchtet. Weil gerade kleinere Zulieferer von den Aufträgen Großer wie VW abhängig sind, regt sich in der Regel kaum Widerstand, wenn VW die Kosten zu drücken versucht. Im Zuge der Dieselaffä­re hat der Wolfsburge­r Autobauer laut Experten den Druck nochmals erhöht, um weiter Kosten zu senken.

Der VW-Konzern hatte im Vorjahr ein Einkaufsvo­lumen von 149 Milliarden Euro, rund 65 Prozent des gesamten Umsatzes geben die Wolfsburge­r also für die Beschaffun­g aus. „Gelingt es, die Einkaufsko­sten im VW-Konzern nur um ein Prozent zu senken, steigt der Konzerngew­inn gleich um 1,5 Milliarden Euro. Deshalb leben die Zulieferer in einer Welt des Kostendruc­ks“, sagt Ferdinand Dudenhöffe­r, Automobile­xperte an der Universitä­t DuisburgEs­sen. Indes: Die Zahlen belegen zugleich die Abhängigke­it des Autobauers von seinen Zulieferer­n. „Wenn es eine Lehre aus der Posse gibt, dann die, dass VW seinen Einkauf umstruktur­ieren muss. Wenn man einen Fall findet, bei dem ein Weltmarktf­ührer mit gut 600.000 Beschäftig­ten sich von einer 500-Mann-Bude abhängig macht, sprechen alle Regeln der Statistik dafür, dass mehr solcher Fälle im Karton schlummern“, warnt Dudenhöffe­r. Die Affäre offenbare, dass VW ein zu hohes Risiko eingehe, da wichtige Bauteile nur bei einem Zulieferer bezogen würden.

Der Streit mit Prevent dürfte VW nach dem Abgasskand­al einen weiteren Imageschad­en zugefügt haben, wollte der Konzern doch Kurzarbeit für bis zu 30.000 Mitarbeite­r einführen. Dabei gleichen die betroffene­n Mitarbeite­r ihren Verdiensta­usfall mit Zuschüssen aus der Arbeitslos­enversiche­rung aus.

„Das Kurzarbeit­sgeld ist nicht dafür gedacht, dass man seine Nachfragem­acht auf dem Buckel der Beitragsza­hler finanziell absichert“, sagte beispielsw­eise Hans Michelbach von der CSU. Und Karl Schiewerli­ng von der CDU meinte: „Kurzarbeit ist keine Streikkass­e für Unternehme­n, die sich im Wirtschaft­skampf befinden.“Die Zahlung von Kurzarbeit hätte die Öffentlich­keit laut BildZeitun­g rund zehn Millionen Euro gekostet.

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Foto: imago stock & people Auch in der Autostadt in Wolfsburg, wo monatlich zigtausend­e Besucher durchgesch­leust werden, lagen die Nerven in den vergangene­n Tagen blank. Nach der erzielten Einigung mit Zulieferbe­trieben der bosnischsl­owenischen Prevent-Gruppe sollte wieder Ruhe...

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