Der Standard

Historiker an Lkw interessie­rt

Parndorf gedenkt mit Theaterstü­ck der 71 Toten

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Der ungarische Klein-Lkw, in dem bei Parndorf vor einem Jahr 71 tote Flüchtling­e entdeckt worden waren, wurde zum Symbol für das Versagen der europäisch­en und österreich­ischen Flüchtling­spolitik. Historiker kennen den Begriff des „Schwellene­reignisses“: ein einschneid­ender Vorfall, ab dem die Dinge anders verlaufen. Museal dargestell­t werden solche Ereignisse oft durch ein entspreche­ndes „Schwelleno­bjekt“. Das gerade in Planung befindlich­e Haus der Geschichte Österreich (HGÖ) zeigt daher Interesse, den Lkw in seine künftige Sammlung aufzunehme­n.

Das Thema „Flucht und Migration“soll in dem in der Neuen Burg zu realisiere­nden Haus längsschni­ttartig – das heißt vom 19. bis ins 21. Jahrhunder­t – abgebildet werden. Die Historiker Christiane Rainer und Kazuo Kandutsch vom Verein „Geschichte willkommen!“wurden vom wissenscha­ftlichen Beirat des HGÖ beauftragt, eine erste Sammlungss­trategie auszuarbei­ten. „Wir haben uns angesehen, was es zur Flüchtling­skrise für Bildikonen gab. Und da war natürlich dieser Lkw ein schwierige­s Objekt, weil die Pietät gewahrt bleiben muss“, sagt Rainer.

Das Objekt würde auch nicht gleich in eine Dauerausst­ellung, sondern ins Depot wandern. „Es ist wichtig, dass man zuerst einmal sammelt“, meint Historiker Oliver Rathkolb, Vorsitzend­er des HGÖ-Beirats. Ob man den Lkw überhaupt bekommt, ist fraglich. Derzeit steht er in Ungarn auf einem Parkplatz und ist Teil des Ermittlung­sverfahren­s.

Im Parndorfer Gemeindera­t wurde beschlosse­n, den 71 Opfern in Form eines Theaterstü­cks ein Denkmal zu setzen. Beauftragt wurde der burgenländ­ische Künstler Peter Wagner, sein Stück 71 – oder der Fluch der Primzahl soll am 4. Jänner 2017 in Parndorf uraufgefüh­rt werden. Wagner will den Menschen, die erstickt sind, „eine Form von Gesicht“zurückgege­ben. Dabei wird auch die schwierige Identifizi­erung der toten Flüchtling­e eine Rolle spielen. (stew, wei)

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