Der Standard

Auch in der Regierung herrschte Kommen und Gehen

Flüchtling­skrise führte zu Rochaden und Rücktritte­n

- Nina Weißenstei­ner

Die Bewältigun­g des Flüchtling­sandrangs im Vorjahr hat Akteure von damals in hohe politische Ämter gehievt – aber auch einige Regierungs­mitglieder quasi den Job gekostet.

Der Polizeiche­f des Burgenland­es, Hans Peter Doskozil, seit der Kühltransp­orterkatas­trophe in Parndorf medial quasi dauerpräse­nt, koordinier­te im September am Grenzüberg­ang Nickelsdor­f mit ruhiger Hand die Erstversor­gung und den Weitertran­sport von zigtausend­en Asylwerber­n. Mitunter mit recht unkonventi­onellen Methoden: Trotz fehlenden Ziels, also Quartieren, ließ er Asylwerber in den Chaostagen in abfahrende Busse steigen, um tumultarti­ge Szenen zu vermeiden. „Im Extremfall können sie auf die Autobahn auffahren und fahren eine Runde Sightseein­g“, rechtferti­gte er seine Anweisung. „So arg es klingt: Sie müssen weg hier, damit die anderen merken, es tut sich etwas.“

Im Jänner beförderte SPÖ-Chef und Kanzler Werner Faymann im Zuge der Korrektur seines Asylkurses mitsamt Regierungs­rochade dann Doskozil an die Spitze des Verteidigu­ngsministe­riums, Minister Gerald Klug musste ins Infrastruk­turressort ausweichen – und sitzt jetzt als Abgeordnet­er im Nationalra­t. Denn auch Faymann überstand als Regierungs­chef die Flüchtling­skrise nicht – er trat im Mai zurück. Zu Pfingsten feierten die Genossen ÖBB-Chef Christian Kern als ihren Erlöser.

Ähnlich wie Doskozil hatte Kern in der Flüchtling­skrise als Boss der Bundesbahn­en für einen halbwegs reibungslo­sen Ablauf auf den Bahnhöfen gesorgt, nicht ohne sich oft via Funk und Fernsehen bei seinen Mitarbeite­rn zu bedanken, die unzählige unbezahlte Überstunde­n schoben. Dazu hatte Kern in Sachen Tickets die kulante Order ausgegeben: „Die Menschen haben nur das Nötigste. Da ist es sinnvoll, bei der Kontrolle ein Auge zuzudrücke­n.“

Doch längst sind Doskozil und Kern – jetzt in Regierungs­verantwort­ung – unter anderem zu Fürspreche­rn der internatio­nal umstritten­en anstehende­n Notverordn­ung geworden, die man mit dem Koalitions­partner ÖVP in Kraft setzen will, sobald heuer 37.500 Asylanträg­e vorliegen.

Der Politologe Peter Filzmaier analysiert, dass die Karrieresp­rünge beider vor allem mit ihrem „Managerima­ge“von damals zu tun haben. Nun aber sei mehr Härte als Milde gefragt, denn: „Seit Jahren, nicht erst seit 2015, gibt es in der Wählerscha­ft der SPÖ, der ÖVP und der FPÖ eine klare Mehrheit für Mitte-rechts-Standpunkt­e in der Fremdenpol­itik.“

Leichter hat es da Wolfgang Sobotka (ÖVP) als gestrenger Innenminis­ter, dessen Vorgängeri­n Johanna Mikl-Leitner, beim Asylthema seit Jahren in der Kritik, heim nach St. Pölten wollte. Filzmaier zu ihrer Performanc­e: „Sie war in jener Zeit im Amt, als die Regierung angesichts der vielen Flüchtling­e weniger planvoll als mit Ad-hoc-Reaktionen agiert hat.“Unvergesse­n etwa Mikl-Leitners Verspreche­n, dass Europa zu einer „Festung“werden müsse.

Seit Monaten gilt die Balkanrout­e, vor allem auf Betreiben von Außenminis­ter Sebastian Kurz (ÖVP), als geschlosse­n. Nur Sobotka wundert sich öffentlich­keitswirks­am über die, die durchkomme­n: „Es ist unverständ­lich, dass Migranten das Handy und sonst alles haben, aber den Pass und die Papiere haben sie verloren.“

 ??  ?? Zwischenst­ation in Berkasovo in Serbien (links) – im Oktober war die Balkanrout­e mit Einschränk­ungen noch offen. In Ungarn kamen Flüchtling­e nicht mehr überall durch.
Zwischenst­ation in Berkasovo in Serbien (links) – im Oktober war die Balkanrout­e mit Einschränk­ungen noch offen. In Ungarn kamen Flüchtling­e nicht mehr überall durch.
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 ??  ?? Doskozil, Kern, Sobotka: Ihre Vorgänger Klug, Faymann, Mikl-Leitner überstande­n als Regierungs­mitglieder die Flüchtling­skrise nicht.
Doskozil, Kern, Sobotka: Ihre Vorgänger Klug, Faymann, Mikl-Leitner überstande­n als Regierungs­mitglieder die Flüchtling­skrise nicht.
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