„Wir haben nicht geklatscht“
Die Gründerin von „Flüchtlinge Willkommen“zieht Bilanz
Es gibt Vorwürfe, die kann Anna Schiester einfach nicht mehr hören. Die Anfeindung „Willkommensklatscher“gehört dazu. „Wir haben nicht geklatscht“, sagt die 27-Jährige im StandardGespräch. „Wir haben gehackelt, wir sind 24 Stunden gerannt.“
Schiester war gerade auf dem Heimweg von einer Reise nach Fernost, als die Bilder der 71 in einem Lkw bei Parndorf erstickten Menschen um die Welt gingen. Wenige Tage später trafen die ersten aus Ungarn kommenden Züge in Salzburg ein. Schiester tat das, was sie auch beruflich am besten konnte: Die Kommunikationswissenschafterin und Mitarbeiterin im Landtagsklub der Grünen gründete auf Facebook die Plattform „Flüchtlinge Willkommen“. Binnen weniger Stunden hatte diese über 3000 Likes und wurde so zur zentralen Informationsdrehscheibe für alle, die helfen wollten. Wann wie viele Menschen wo erwartet wurden und was gerade benötigt wurde: Windeln, Babynahrung oder Decken – die Facebook-Seite koordinierte die Hilfe.
Schiester selbst wurde in den Anfangstagen sogar die Verwaltung des Spendenlagers am Salzburger Hauptbahnhof übergeben. Es dauerte Tage, bis die trägen Apparate von Stadt, Land und Bund in die Gänge kamen. Auch Caritas und Rotes Kreuz waren da noch nicht aktiv. „Die traditionellen Strukturen haben nicht funktioniert. Nur die ÖBB-Leute waren von Anfang an super“, sagt Schiester.
Wäre die Hilfsbereitschaft heute auch noch so groß wie im September 2015? „Die Stimmung hat sich gar nicht so geändert, wie man glaubt“, glaubt sie. Jene, die vor einem Jahr offen gewesen seien und angepackt hätten, würde das heute auch wieder tun. Jene, die Fremde ablehnten, eben auch.
Begegnungsfeste
Sie setzt sich weiter für die Vertriebenen ein. „Die heute kommen, haben dieselbe Chance verdient wie jene, die vor einem Jahr aus Budapest gekommen sind.“Dass es Probleme – wie etwa Drogen und Gewalt am Hauptbahnhof – gibt, wolle sie gar nicht wegwischen. „Dass müssen Polizei und Behörden in den Griff bekommen.“Ihr Projekt „Flüchtlinge Willkommen“sieht sie als Teil der Problemlösung: Integrationsarbeit sei ein zentraler Beitrag dazu, „dass es nicht eskaliert“. Und: „Wir kümmern uns einfach um eine Situation, die ohnehin da ist.“
Ein Teil dessen seien die Begegnungen zwischen Geflüchteten und Österreichern. Schiester und ihre Helfer und Helferinnen organisieren regelmäßig Flüchtlingsfeste im Salzburger Volksgarten. Insgesamt sechs solcher Feste hat es schon gegeben, das nächste findet am 4. September statt.