Sicherheitspolitik verdrängt Migrationspolitik in der EU
Deutschland will Italien um hunderte Flüchtlinge entlasten, aber die Quotenverteilung klappt nicht
Deutschland will ab September „mehrere Hundert“Flüchtlinge aufnehmen, die sich in Italien aufhalten. Das gab der deutsche Innenminister Thomas de Maizière am Dienstag in Rimini bekannt. Dort hatte er sich am Tag nach dem „Minigipfel“der Regierungschefs von Deutschland, Italien und Frankreich, Angela Merkel, Matteo Renzi und François Hollande, mit seinem Amtskollegen Angelino Alfano getroffen.
Man wollte demonstrieren, wie ernst es den Gründungsstaaten der Union mit konkretem Handeln in der Migrationskrise ist. Und tatsächlich würde das einen Riesenfortschritt bei dem von der EUKommission bereits im Mai 2015 vorgeschlagenen Modell zur „Umsiedlung“von Flüchtlingen auf alle EU-Staaten nach Quoten bedeuten – aber nur, wenn man es daran bemisst, dass das Konzept bisher am harten Widerstand der Mitgliedsländer gescheitert ist.
Denn insgesamt sollten 160.000 Flüchtlinge „umverteilt“werden, um den seit 2014 meistbelasteten Staaten Griechenland und Italien zu helfen. Bisher waren es nur knapp 3000 Flüchtlinge, die in ein anderes Asylland gebracht wurden. „Einige hundert“, wie von de Maizière angekündigt, wäre für Italien fast eine Verdoppelung. Das Beispiel zeigt, worin das Problem der europäischen Asyl- und Migrationspolitik besteht: Pläne und konkrete Vorstellungen der EU-Zentralbehörde gibt es genug. Sie werden nicht umgesetzt, wie Präsident Jean-Claude Juncker bei der Eröffnung des Forum Alpbach in Alpbach unverblümt deutlich machte.
Vor allem die Osteuropäer legen sich quer, wie Ungarn und die Slowakei, aber nicht nur sie. Ein Regelungsvorschlag aus Brüssel, wo- nach renitente Staaten 250.000 Euro pro verweigerten Flüchtling zahlen sollen, wurde im Rat schubladisiert.
In der Kommission nimmt man irritiert zur Kenntnis, dass das Thema Migration nach der Serie von Terroranschlägen und dem Putschversuch in der Türkei vor allem von sicherheitspolitischen Initiativen der Staaten verdrängt wird: Mehr Hilfe der Nato, Aufrüstung zum Schutz der EU-Außengrenze, mehr Polizei- und Geheimdienstkooperation steht ganz oben auf den Wunschlisten, aber bei Reformen zur gemeinsamen Flüchtlingspolitik herrscht Stillstand.