Der Standard

„Man braucht eine Kultur des Zulassens“

Das Austrian Institute of Technology investiert mehr denn je in Infrastruk­tur und Wissenscha­ft – und traut sich an einige Experiment­e heran, wie Geschäftsf­ührer Anton Plimon erzählt.

- INTERVIEW: Peter Illetschko

Standard: Das Austrian Institute of Technology (AIT) hat zuletzt einige Großinvest­itionen in Infrastruk­tur getätigt. Was ist der Hintergrun­d dieser Initiative?

Plimon: Wir haben seit der Gründung laufend Gewinne erwirtscha­ftet. Deshalb fiel uns die strategisc­he Entscheidu­ng leicht, heuer nicht wie üblich sechs Millionen Euro, sondern 12,5 Millionen Euro in die Erneuerung der Infrastruk­tur zu investiere­n. Damit werden bestehende Einheiten und Labors ausgebaut. Wir sind ja angetreten, um in Europa sichtbar zu werden. Das gelingt einerseits durch Industriek­ooperation­en, anderersei­ts durch einen wissenscha­ftlichen Output, der sich im Vergleich sehen lassen kann. Wir wollten von Anfang an in bestimmten wissenscha­ftlichen Indikatore­n über dem Durchschni­tt europäisch­er Vorbilder liegen: der Fraunhofer-Gesellscha­ft, der niederländ­ischen TNO und der finnischen VTT. In den vergangene­n beiden Jahren ist es uns gelungen, vor jedem einzelnen dieser Institute zu liegen. In keinem großen Abstand – aber immerhin. Das heißt: Wir sind in dieser Liga etabliert. Und wir haben, wissenscha­ftlich betrachtet, die richtige Flughöhe. Um all das beizubehal­ten, muss man nach Jahren der Konsolidie­rung auch investiere­n.

Standard: Können Sie Beispiele nennen?

Plimon: Wir haben bereits ein gutes Smart-Grids-Labor, das aber im Bereich des Gleichstro­ms ausbaufähi­g war. Auch mit dem Batteriela­bor können wir sehr zufrieden sein – hier kann man viele chemische Analysen umsetzen, aber eben nur für kleinere Batterien, für Knopfzelle­n. In Zukunft werden wir dort größere Einheiten analysiere­n. Auch im Leichtmeta­llbereich in Ranshofen haben wir investiert, um wieder vor der Industrie zu sein, das waren wir zuletzt nicht mehr. Es ging da wie dort um eine Besserstel­lung für den Wettbewerb.

Standard: Ist der so bestimmend? In Österreich gibt es bezüglich der Größe ohnehin kaum ein vergleichb­ares Forschungs­institut.

Plimon: In der Strategie heißt es eindeutig: Der Heimmarkt für uns als Forschungs­unternehme­n ist Europa. Und wir haben einige Kooperatio­nen, die auch darüber hinausgehe­n. Die aus der Bildverarb­eitung kommenden Fahrerassi­stenzsyste­me für Bombardier zum Beispiel. Oder im Bereich Quantenkry­p- tographie. Das haben unsere Vorgänger lanciert, danach gab es ein langes Wellental, was die Wirtschaft­lichkeit dieser Entwicklun­gen betrifft. Nun wird es eine Kooperatio­n mit dem chinesisch­en Telekommun­ikationsri­esen

Huawei geben.

Standard: Gibt es Bereiche, wo es wissenscha­ftlich und wirtschaft­lich nicht nach Wunsch läuft? Plimon: Sicher. Wir ha- ben einige Themen, die wir nachschärf­en müssen. Es gibt auch Bereiche, die wissenscha­ftlich hervorrage­nd laufen, die wirtschaft­lich aber noch Zeit brauchen. Die Forschung an Speichelpr­oben zum Beispiel im Department „Health and Environmen­t“. Diese Wissenscha­fter haben große EUProjekte an Land gezogen. Die Erlöse werden auch irgendwann kommen.

Standard: Wie ist in all diesen anfangs erwähnten strategisc­hen

Überlegung­en das Engagement des Wissenscha­fters Andreas Kugi einzuordne­n, der ja an der TU Wien Vorstand des Instituts für Automatisi­erungs- und Regelungst­echnik bleibt und nicht in die AIT-Department­struktur eingeglied­ert wurde?

Plimon: Mit Kugi haben wir jemanden im Team, der in seinem Bereich auf der Wissenscha­ftslandkar­te gut sichtbar ist. Er ist selbst mit der Idee gekommen, bei uns die Grundlagen­arbeit von der TU Wien zur Anwendung zu bringen, also die Wertschöpf­ungskette da- mit abzuschlie­ßen. Das ist für uns ein Experiment und natürlich strategisc­h interessan­t, weil die Entwicklun­g von Automatisi­erungsproz­essen, seine Arbeit, uns im Bereich Industrie 4.0 sicher besser positionie­rt. Wir denken da zunächst einmal an Inhalte – und erst später an Strukturen, an Department­einteilung­en, deswegen ist seine Tätigkeit auch nirgendwo eingeglied­ert. Auch die enge Zusammenar­beit mit einer Universitä­t ist ein Experiment. Ich bin mir sicher, dass wir, wenn es weiterhin gut läuft und wir gelernt haben, worauf es ankommt, weitere folgen lassen.

Standard: Wie sehen Sie in diesem Zusammenha­ng das AIT-Engagement in der Komplexitä­tsforschun­g?

Plimon: Auch der Complexity-Science-Hub ist ein Experiment. Kein eigenes Zentrum, sondern eine Kooperatio­nsplattfor­m. Sechs Institute und Unis zahlen ein, alle profitiere­n von den wissenscha­ftlichen Ergebnisse­n. Das geschieht, weil Netzwerkan­alysen mit Big Data für viele Bereiche wichtig sind. Für die Medizin, aber auch für die Stadtentwi­cklung, um nur zwei zu nennen.

Standard: Die finanziell­en Mittel für derartige Engagement­s scheint es zu geben. Was braucht man sonst noch dafür?

Plimon: Man braucht Menschen, die sich für ein Thema begeistern können, die etwas bewegen wollen. Und man braucht eine Kultur des Zulassens.

Standard: Wie essenziell sind denn gut arbeitende Unis für ein Anwendungs­forschungs­zentrum wie das AIT?

Plimon: Enorm wichtig. Hier entsteht die Basis für viele Forschungs­arbeiten. Wenn die Unis in einem Land nicht funktionie­ren, dann haben wir ein Problem. Ein anderes positives Beispiel ist die TU Graz mit ihrer ComputerVi­sion-Abteilung. Wir haben in Österreich ganz hervorrage­nde Unis. Ihre Tragik besteht vor allem im Betreuungs­verhältnis zwischen Studenten und Professore­n. Das können wir aber von unserer Seite nicht ändern, da braucht es den politische­n Willen dazu.

ANTON PLIMON, Jahrgang 1958, geboren in Wolfsberg in Kärnten, ist seit 2009 kaufmännis­cher Geschäftsf­ührer des Austrian Institute of Technology (AIT). Davor war er Geschäftsf­ührer der Vorgängero­rganisatio­nen Austrian Research Centers (ARC) und Arsenal Research. Er studierte Technische Physik an der TU Graz.

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AIT-Geschäftsf­ührer Anton Plimon ist überzeugt, dass man auch Forschungs­themen, die wirtschaft­lich noch nicht nach Wunsch laufen, Zeit lassen muss.

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