Erkundungen unter der Oberfläche
Sabrina Luimpöck erforscht die Erwerbsbiografien tschetschenischer Asylberechtigter
Wien – Rund 30.000 Tschetschenen leben als anerkannte Flüchtlinge in Österreich. Von manchen wird deren Integration als besonders schwierig wahrgenommen. Falls dieser Eindruck nicht trügt – wo liegen die größten Hürden? Auf der Suche nach Antworten befasst sich Sabrina Luimpöck in ihrer mit dem Dissertationspreis für Migrationsforschung der Akademie der Wissenschaften ausgezeichneten Doktorarbeit mit den Erwerbsbiografien tschetschenischer Flüchtlinge.
Dabei geht es ihr nicht um eine repräsentative Umfrage oder statistische Auswertungen: „In meiner Arbeit will ich biografische Verläufe im Detail erfassen und so herausfinden, welche Strategien die Asylberechtigten entwickeln, um die zwei großen Einschnitte in ihrer Erwerbsbiografie – die Flucht und die soziale Exklusion während des Asylverfahrens – zu überwinden“, erläutert die ehemalige Sozialarbeiterin, die seit eineinhalb Jahren an der FH Burgenland unterrichtet.
Dass sich die 28-jährige Wienerin ausgerechnet für tschetschenische Immigranten interessiert, hat einen pragmatischen Grund: Durch ihr Slawistikstudium beherrscht Luimpöck die russische Sprache, in der sie stundenlange Interviews geführt hat. In 15 Biografien hat sie tiefe Einblicke bekommen, etwa in das Leben eines Bienenzüch- ters aus Tschetschenien, der zunächst in ein Nachbarland geflüchtet war und dort unter großen Schwierigkeiten ein Internetcafé eröffnet hatte. Eine neuerliche Flucht führte ihn nach Österreich, wo er sich als Hochzeitsfotograf selbstständig machen wollte, nach jahrelangen fruchtlosen Bemühungen im Behördendschungel sein Vorhaben jedoch aufgab.
Etliche Geschichten, in die sich Luimpöck vertieft hat, weichen verbreitete Vorurteile auf: „In den langen Gesprächen habe ich erfahren, dass das berüchtigte Kopftuch oft nicht viel über die Einstellung einer tschetschenischen Frau aussagt.“Nicht selten handle es sich um sehr emanzipierte Frauen mit konkreten Berufswünschen, die sich nicht nur für Kinder, Küche und Moschee interessieren. „Oft werden Kopftuchträgerinnen gar nicht erst zu Bewerbungsgesprächen eingeladen“, so Luimpöck. Wenn bei tschetschenischen Frauen die berufliche Integration über Jahre nicht funktioniert, definieren sie sich häufig über ihre Kinder – ein emotionaler Mechanismus, der auch bei Österreicherinnen lange gewirkt hat.
Insbesondere jüngere Tschetschenen wollen über einen Beruf Anerkennung finden. Was aber, wenn das nicht klappt? „Dann wird sie mitunter im Religiösen und Ethnischen gesucht“, sagt Luimpöck. „Manche kommen als moderate Muslime nach Österreich und werden erst hier zu Strenggläubigen. Damit füllen sie vermutlich eine Leerstelle in ihrem Leben und ihrer Identität, die durch berufliche Anerkennung nicht entstanden wäre.“Zudem ist Luimpöck aufgefallen, dass bei der Integration einzelne Personen wie Quartiergeber oder Deutschkursleiter eine zentrale Rolle spielen. „Leider wird diesen einflussreichen Integrationshelfern von offizieller Seite zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt.“
Wie wichtig die Sprache und ihre Vermittler in einem fremden Umfeld sind, erfährt Luimpöck übrigens selbst immer wieder, ist sie doch gerade von einer Rucksackreise aus Kasachstan und Kirgisien zurückgekehrt. Gesundheitsprobleme. Vor allem Atemwegserkrankungen nehmen in der Häufigkeit zu. Auch die Landwirtschaft leidet. „An die 50 Dörfer wurden bereits verlassen“sagt Kabat.
Der Wissenschafter befasst sich bereits seit mehreren Jahren mit dem austrocknenden Urmiasee. Zusammen mit Forschern der niederländischen Universität Wageningen analysiert er den Wasserhaushalt des Einzugsgebiets und die Ursachen des Seeschwunds. Letztere sind nämlich noch nicht vollständig geklärt.
Von offizieller iranischer Seite hieß es lange, eine Reihe von Dürren sei schuld, und tatsächlich hat es in den vergangenen Jahrzehnten im Nordwesten des Landes einen Rückgang der Niederschlagsmengen von 9,2 Prozent gegeben. Gleichzeitig stiegen die Temperaturen an – um durchschnittlich 0,8 Grad Celsius (vgl. Theoretical and Applied Ecology, Bd. 111, S. 285).
Doch es sind noch andere Faktoren im Spiel. In sämtlichen Flüssen des umgebenden Berglands wurden mittlerweile Staudämme errichtet. Sie dienen der Energieerzeugung und stabilen Wasserversorgung der Agrarwirtschaft, unabhängig von Regenperioden und Trockenzeiten.
Der See als kulturelles Erbe
Die landwirtschaftliche Produktion trägt etwa 15 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt der Provinz bei, erklärt Kabat. Dank der stetigen Bewässerung gedeihen in dem eher trockenen Gebiet auch Mais, Sonnenblumen, diverse Gemüsesorten und Apfelbäume. Dennoch sind die Staudämme inzwischen umstritten. Die Zuflüsse des Urmiasees spülten in den Sechzigern jährlich noch zwölf Milliarden Kubikmeter Wasser in das Becken. Heute ist diese Menge auf 2,4 Milliarden Kubikmeter gesunken. Kein Wunder also, dass der Dammbetrieb bereits heftige Proteste ausgelöst hat.
Die lokale Bevölkerung ist multiethnisch und besteht zu großen Teilen aus Azeris und Kurden. Diese Menschen betrachten den See auch als Teil ihres kulturellen Erbes, wie Kabat betont. Sein Verschwinden dürfte die Spannungen in der politisch ohnehin nicht besonders stabilen Region weiter verschärfen. Die iranische Regie- rung hat die Gefahr durchaus erkannt. Voriges Jahr wurde ein umfassender Plan zur Rettung des Urmiasees beschlossen – mit einem vorläufigen Finanzierungsvolumen von umgerechnet fünf Milliarden Dollar (4,4 Milliarden Euro). Hauptziel ist die Senkung des Wasserverbrauchs in der Landwirtschaft. Ganze 40 Prozent sollten eingespart werden.
Effizienteres Bewässern
Dafür müsse man einige Flächen stilllegen und vor allem die Bewässerungseffizienz steigern, meint Kabat. Der Einsatz moderner Techniken wie der Tröpfchenbewässerung würde den Verbrauch um das Zwanzigfache sinken lassen. „Der Iran hat die Mittel, um darin zu investieren.“
Weitere Ideen sehen das Umleiten von Wasser aus Flüssen wie dem Aras an der Grenze zu Armenien und Aserbaidschan vor. Der Urmiasee könnte vielleicht davon profitieren, sagt Kabat, aber derartige Eingriffe verursachen womöglich neue Probleme in anderen Gebieten.
Die Pläne haben zudem eine große Unbekannte nicht auf der Rechnung: den Klimawandel. Kabat und seine Kollegen haben eine aufwendige Modellanalyse der Wasserbilanz im Einzugsgebiet des Sees durchgeführt. Die Ergebnisse wurden vor kurzem im Fachmagazin Science of the Total Environment (Bd. 559, S. 317) veröffentlicht.
Demnach benötige man für den langfristigen Erhalt des Gewässers unter den derzeitigen Klimabedingungen an die 3,7 Milliarden Kubikmeter Wasser jährlich. Stiege der Kohlenstoffdioxidgehalt der Atmosphäre bis Ende des Jahrhunderts auf lediglich 400 ppm (Teile von einer Million) an, dann dürfte sich die natürlich verfügbare Wassermenge um nur zehn Prozent verringern. Der Urmiasee könnte über die vorliegenden Pläne gerettet werden.
Erreicht die Kohlendioxidmenge allerdings 1370 ppm, wie es das Maximalszenario RCP 8,5 des Internationalen Klimarats vorhersagt, sieht es düster aus. Die hitzebedingte Verdünstung würde wahrscheinlich alles zunichtemachen. In diesem Fall bedürfte es drastischerer Maßnahmen, meint Kabat. Denn: „Den See aufzugeben ist keine Option.“