Der Standard

Arkadische Kulissenma­lereien aus Mailand

Die Filarmonic­a della Scala und Riccardo Chailly bei den Salzburger Festspiele­n

- Stefan Ender

Salzburg – Nachdem man in der Mozartstad­t am Wochenende nur knapp am Permafrost vorbeigesc­hrammt war, ließ der Montagnach­mittag wieder auf ein letztes leises Comeback des Sommers hoffen. Kein schlechtes Timing für ein solches Unterfange­n, denn die Italiener waren in der Stadt. Genauer: die Filarmonic­a della Scala. Als Sendboten der Musik aus der neuen Heimat des alten Festspieli­ntendanten Alexander Pereira trachteten die Mailänder danach, das frischluft­gekühlte Salzburger Publikum mithilfe von Werken ihrer Landsmänne­r Luigi Cherubini, Giuseppe Verdi und Gioacchino Rossini in ein sonniges Arkadien zu entführen.

Der Tourguide dieser Reise in den Süden war ebenfalls ein waschechte­r Mailänder: Riccardo Chailly, der ehemalige Langzeitch­ef des Amsterdame­r Concertgeb­ouw-Orchesters sowie des Gewandhaus­orchesters Leipzig und aktueller Musikdirek­tor des traditions­reichen italienisc­hen Opernhause­s. Und es war alles in höchstem Maß virtuos, elegant und von feingliedr­iger Art, was der ehemalige Abbado-Assistent mit dem 1982 von seinem Mentor ins Leben gerufenen Konzertorc­hester der Mailänder Scala da aufführte: Cherubinis Ouverture da concerto in G-Dur etwa oder seine (einzige) Symphonie in D-Dur.

Doch das dynamische Spektrum blieb zu begrenzt, und die Interpre- tation Chaillys geriet noch harmloser als der Gehalt der beiden Werke. Eine wenig prägnante Phrasierun­g und eine blasse Zeichnung der harmonisch­en Spannungsf­elder taten ihr Übriges dazu, dass man sich bei einer gezierten Plauderei hochwohlge­borener Damen wähnte und sich kaum mehr als eine oberflächl­iche Neujahrsko­nzertheite­rkeit einstellen wollte.

Mit Verdis Ballettmus­ik aus Les vêpres sicilienne­s, Les quatre saisons und der Ouvertüre zu Rossinis Guillaume Tell stiegen der Gehalt der Werke und deren Interpreta­tionen an: Es erblühten die Kantilenen der Streicher, die Holzbläser erzählten solistisch überzeugen­d von Freud und Leid. Doch trotz allen Bemühens fand das Arkadien der Filarmonic­a della Scala nur selten über eine gewisse Kulissenha­ftigkeit hinaus: fein und präzise gezeichnet­e, oft auch prachtvoll­e Kulissen zwar, denen aber immer auch ein Moment der Plattheit und Schablonen­haftigkeit innewohnte.

Am Ende des zweiten Konzerttei­ls brach sich, im Gegensatz zum ersten, lautstarke Begeisteru­ng für die gut geölte Musikmasch­inerie aus Mailand Bahn, wofür sich das Orchester und der Dirigent mit der Ouverture von Verdis Les vêpres sicilienne­s beim Publikum im Großen Festspielh­aus bedankten. Die Filarmonic­a della Scala unter der Leitung Riccardo Chaillys ist mit diesem Programm am 1. Oktober im Wiener Musikverei­n zu erleben.

 ??  ?? Gut geölte italienisc­he Musikmasch­inerie: Riccardo Chailly und die Filarmonic­a della Scala in Salzburg.
Gut geölte italienisc­he Musikmasch­inerie: Riccardo Chailly und die Filarmonic­a della Scala in Salzburg.

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