Arkadische Kulissenmalereien aus Mailand
Die Filarmonica della Scala und Riccardo Chailly bei den Salzburger Festspielen
Salzburg – Nachdem man in der Mozartstadt am Wochenende nur knapp am Permafrost vorbeigeschrammt war, ließ der Montagnachmittag wieder auf ein letztes leises Comeback des Sommers hoffen. Kein schlechtes Timing für ein solches Unterfangen, denn die Italiener waren in der Stadt. Genauer: die Filarmonica della Scala. Als Sendboten der Musik aus der neuen Heimat des alten Festspielintendanten Alexander Pereira trachteten die Mailänder danach, das frischluftgekühlte Salzburger Publikum mithilfe von Werken ihrer Landsmänner Luigi Cherubini, Giuseppe Verdi und Gioacchino Rossini in ein sonniges Arkadien zu entführen.
Der Tourguide dieser Reise in den Süden war ebenfalls ein waschechter Mailänder: Riccardo Chailly, der ehemalige Langzeitchef des Amsterdamer Concertgebouw-Orchesters sowie des Gewandhausorchesters Leipzig und aktueller Musikdirektor des traditionsreichen italienischen Opernhauses. Und es war alles in höchstem Maß virtuos, elegant und von feingliedriger Art, was der ehemalige Abbado-Assistent mit dem 1982 von seinem Mentor ins Leben gerufenen Konzertorchester der Mailänder Scala da aufführte: Cherubinis Ouverture da concerto in G-Dur etwa oder seine (einzige) Symphonie in D-Dur.
Doch das dynamische Spektrum blieb zu begrenzt, und die Interpre- tation Chaillys geriet noch harmloser als der Gehalt der beiden Werke. Eine wenig prägnante Phrasierung und eine blasse Zeichnung der harmonischen Spannungsfelder taten ihr Übriges dazu, dass man sich bei einer gezierten Plauderei hochwohlgeborener Damen wähnte und sich kaum mehr als eine oberflächliche Neujahrskonzertheiterkeit einstellen wollte.
Mit Verdis Ballettmusik aus Les vêpres siciliennes, Les quatre saisons und der Ouvertüre zu Rossinis Guillaume Tell stiegen der Gehalt der Werke und deren Interpretationen an: Es erblühten die Kantilenen der Streicher, die Holzbläser erzählten solistisch überzeugend von Freud und Leid. Doch trotz allen Bemühens fand das Arkadien der Filarmonica della Scala nur selten über eine gewisse Kulissenhaftigkeit hinaus: fein und präzise gezeichnete, oft auch prachtvolle Kulissen zwar, denen aber immer auch ein Moment der Plattheit und Schablonenhaftigkeit innewohnte.
Am Ende des zweiten Konzertteils brach sich, im Gegensatz zum ersten, lautstarke Begeisterung für die gut geölte Musikmaschinerie aus Mailand Bahn, wofür sich das Orchester und der Dirigent mit der Ouverture von Verdis Les vêpres siciliennes beim Publikum im Großen Festspielhaus bedankten. Die Filarmonica della Scala unter der Leitung Riccardo Chaillys ist mit diesem Programm am 1. Oktober im Wiener Musikverein zu erleben.