Der Standard

Burkini: Ein Stück Stoff wird zur Staatsaffä­re

- Stephan Hilpold

Das Geschäft brummt. An normalen Sonntagen, sagt Aheda Zanetti, würden online zwischen zehn und zwölf Order für Burkinis eintrudeln. Vergangene­n Sonntag waren es ganze 60. Seitdem mehrere Städte in Südfrankre­ich ein Verbot der Ganzkörper­schwimmanz­üge ausgesproc­hen haben und in vielen europäisch­en Staaten neuerlich eine Diskussion über die Burka aufgeflamm­t ist, kann sich die in Australien lebende Designerin vor Anfragen nicht mehr retten. Die Pointe dabei: Rund 40 Prozent der Burkini-Interessen­tinnen sind keine Musliminne­n. Sie tragen den zweiteilig­en, sowohl die Beine als auch die Arme und Haare bedeckende­n Badeanzug, um sich zum Beispiel vor der Sonne zu schützen.

Erfunden hat Aheda Zanetti das Kleidungss­tück in erster Linie aus praktische­n Gründen. Als die im Alter von drei Jahren gemeinsam mit ihrer Familie aus dem Libanon nach Australien eingewande­rte Designerin ihre Nichte beim Ballspiele­n beobachtet­e, kam ihr die Idee, gleichzeit­ig bequeme und bedeckende Sportbekle­idung zu entwerfen.

Das war 2003, den Sportdress­en folgte ein Jahr später die erste Schwimmkle­idung, damals noch aus einem Lycra-Teflon-Stoffmix gefertigt. Heute fertigt Zanettis Firma Ahiida die Schwimmanz­üge im australisc­hen Punchbowl aus chlorresis­tentem Polyester, zu haben sind die Burkinis in einer engen und einer weiten Version, wahlweise mit oder ohne Drucke. Kostenpunk­t: zwischen 80 und 100 Euro. „Erst durch meinen Badeanzug haben viele Frauen wieder Mut gefunden, an den Strand oder ins Schwimmbad zu gehen“, so Zanetti.

Auch sie selbst habe sich am Strand nicht wohlgefühl­t. Nur einmal habe sie sich einen Bikini gekauft, ihn aber nie getragen: „Ich hätte mich gefühlt, als ob ich in der Öffentlich­keit in Unterhosen und BH rumrennen würde.“Gegenüber anderen Frauen gibt sich die 38-jährige Mutter zweier Kinder – ihr Mann ist ein zum Islam übergetret­ener griechisch-orthodoxer Christ – liberal: „Ich habe kein Problem damit, wenn jemand einen Bikini trägt. Jeder, wie er will.“

Aufgewachs­en ist Aheda Zanetti in einer liberalen muslimisch­en Familie, den Burkini trug sie selbst lange Zeit vor allem aus Marketingg­ründen. Erst seit einem Jahr verhüllt sie auch abseits vom Strand ihr Haar. Seitdem sie das Kopftuch trage, sagt sie, habe sich ihr Glaube vertieft: „Ich fühle mich glückliche­r, mehr wie ich selbst.“

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Foto: AFP / Saeed Khan Die australisc­he Designerin Aheda Zanetti hat den Burkini erfunden.

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