Biden beruhigt Ankara
US-Vize zeigt Verständnis für Gülen-Auslieferung
Er ist der Mann für die Erdogan-Besänftigungen. Nicht zum ersten Mal schickt US-Präsident Barack Obama seinen Vize vor, um den dünnhäutigen türkischen Staatschef auf protokollarisch hoher Ebene bei Laune zu halten. Joe Bidens Mission am Mittwoch in Ankara war besonders heikel: Zum einen ging es um die Auslieferung des Predigers Fethullah Gülen, einst politischer Verbündeter Erdogans, jetzt Staatsfeind Nummer eins; zum anderen war die türkische Armee dabei, mit ihrer Bodenoffensive in Syrien Fakten zu schaffen – wenn auch militärisch begleitet von den USA.
Biden stattete am Mittwoch zuerst dem Präsidenten des türkischen Parlaments, dem islamistisch gesinnten Ismail Kahraman, einen Höflichkeitsbesuch ab und ließ sich die Schäden im Parlament durch die Bombardierung der Putschsoldaten in der Nacht des 15. Juli zeigen. Die Wogen der ohnehin immer vorhandenen antiamerikanischen Stimmung in der Türkei gehen seit dem gescheiterten Putsch besonders hoch. Ankara hat genau vermerkt, dass es einige Stunden dauerte, bis sich das Weiße Haus in der Putschnacht mit einer Erklärung hinter die gewählte türkische Regierung gestellt hatte.
Vor allem aber werden die USA bezichtigt, ihre Hand über Gülen zu halten oder gar selbst eine führende Rolle beim Putsch gespielt zu haben. Das regierungsnahe Blatt Akşam ging am Mittwoch gar so weit, Biden in großen Lettern als den „Imam des Weißen Hauses“zu titulieren. Das war als Anspielung auf den Prediger Gülen zu verstehen, der seit 1999 in einer Residenz in Pennsylvania lebt und von Ankara für die Organisation des Militärputsches verantwortlich gemacht wird. Biden dürfte bei seinem Treffen mit Erdogan erneut klargemacht haben, dass nicht allein die Regierung, sondern auch die amerikanische Justiz über die Auslieferung Gülens entscheiden wird. Er verstehe die „intensiven Emotionen“in der Türkei in der Sache Gülen, erklärte Biden in Ankara.
Bisher keine Beweise
Die türkische Regierung soll den US-Behörden bisher keine Dokumente vorgelegt haben, die Bezug auf Gülens angebliche Rolle beim Putsch nehmen. Auch was die Kurden in Syrien betraf, zeigte sich Biden versöhnlich: Die USA hätten die PYD aufgefordert, keine Gebiete westlich des Euphrat zu übernehmen. „Wir sind auf einer Linie“, stellte Premier Binali Yildirim erfreut fest. (mab)