Jedem Anfang wohnt ein Ende inne
Die erste Begegnung in der Bibliothek geschieht so beiläufig wie die Beziehung zwischen Agnes (Odine Johne) und Walter (Stephan Kampwirth) in der Folge anmutet. Alles ist hier in der Schwebe, und doch ist der Tonfall ungewöhnlich direkt. Die Gefühle, die der Sachbuchautor für die Physikstudentin empfindet, scheinen von liebevoller Neugierde bestimmt, jene der jungen Frau von unberechenbarer Intensität. Das gemeinsame Projekt zielt zunächst aber nicht auf eine gemeinsame Zukunft ab, sondern auf ein Buch: Walter schreibt eine Erzählung über Agnes, über die Ängste, die Hoffnungen, die Enttäuschungen. Das gemeinsam Erlebte wird zur Schrift – und verändert wiederum das Leben.
Agnes ist die Verfilmung von Peter Stamms gleichnamigem Romandebüt, mit dem sich der Schweizer Autor durch seine ausgeklügelte Montagetechnik und seine lakonische Erzählweise einen Namen machte. Johannes Schmid verwebt in seiner Kinoadaption dieser Amour fou präzise die verschiedenen Zeitebenen und Gefühlslagen, bringt Fakt und Fiktion zum Verschwimmen. Kann man das Ende von etwas herbeischreiben? „Glück macht einfach keine gute Geschichten“, meint Walter in einem Augenblick puren Glücks – und vertraut lieber seiner Erzählung. Doch das Leben ist kein Buch, das man selbst schreiben kann. Es ist unwägbar, verstörend. Wie dieser Film. (pek)