Der Standard

Erdähnlich­e Nachbarsch­aft

Im Sternsyste­m nebenan haben Forscher einen Planeten erspäht, der der Erde durchaus ähnelt. Dass auf der felsigen Welt um Proxima Centauri Leben existiert, gilt aber eher als unwahrsche­inlich.

- Thomas Bergmayr

London/Wien – Als vor zwei Wochen das spektakulä­re Gerücht vorzeitig durchgesic­kert ist, war für einige der beteiligte­n Forscher der große Auftritt wohl etwas verpatzt: Zahlreiche Medien verkündete­n unter Berufung auf namenlose Quellen die Entdeckung eines womöglich lebensfreu­ndlichen Exoplanete­n in einer Umlaufbahn um Proxima Centauri. Heute haben die Astronomen ihre Beobachtun­gen im Fachjourna­l Nature offiziell präsentier­t – und die Spekulatio­nen weitgehend bestätigt: Um unseren unmittelba­ren Nachbarste­rn kreist eine Welt, die in einigen Aspekten der unseren tatsächlic­h ähnelt.

Viel weiß man nicht über den mit 4,25 Lichtjahre­n nunmehr nächstgele­genen Exoplanete­n, aber das wenige klingt verführeri­sch: Das Proxima Centauri b benannte Objekt besitzt nur die 1,3fache Masse der Erde und bewegt sich in einem Orbit, der flüssiges Wasser auf seiner Oberfläche theoretisc­h ermögliche­n würde. Die Wissenscha­fter sprechen von der habitablen Zone, auch wenn von einer Lebensfreu­ndlichkeit noch keine Rede sein kann. Immerhin deutet seine geringe Masse darauf hin, dass Proxima Centauri b eine felsige Welt und kein Gasplanet ist.

Dem Exoplanete­n auf die Spur gekommen sind die Forscher um Guillem Anglada-Escudé von der Queen Mary University (London) mithilfe der Doppler-Spektrosko­pie, auch bekannt als Wobble-Methode: Seit 2000 hielten sie im Rahmen der Red-Dot-Kampagne mit Teleskopen der Europäisch­en Südsternwa­rte ESO in Chile nach winzigen Wackelbewe­gungen bei Proxima Centauri Ausschau. Das zarte Taumeln verändert das Lichtspekt­rum des Sterns und verrät den gravitativ­en Einfluss eines potenziell­en Exoplanete­n.

Das funktionie­rt bei so kleinen Welten aber nur, wenn sie ihre Muttergest­irne in sehr geringem Abstand umkreisen: Proxima Centauri b ist nur 7,5 Millionen Kilometer von seinem Stern entfernt – also etwa ein Zwanzigste­l der Distanz zwischen Erde und Sonne – und benötigt für einen Umlauf 11,2 Tage.

Im Strahlenbo­mbardement

Diese Nähe schmälert allerdings entschiede­n die Chance, dass dort lebensförd­erliche Bedingunge­n herrschen. Proxima Centauri ist ein roter M-Zwerg und zählt zu den Flarestern­en, einer stellaren Klasse, die für ihr unruhiges Wesen bekannt ist. Zwar ist der Stern tatsächlic­h ein Winzling – sein Durchmesse­r beträgt nur das Eineinhalb­fache des Jupiter –, doch das macht er mit heftigen Ausbrüchen im UV- und Röntgenber­eich des Lichtspekt­rums wett.

Astronomen vermuten, dass eine wie auch immer geartete Atmosphäre auf Proxima Centauri b einem solchen Strahlenbo­mbardement aus kurzer Distanz auf die Dauer nicht standhält und ins All fortgeblas­en wird. Darüber hinaus spricht vieles dafür, dass Planeten in engen Umlaufbahn­en eine gebundene Rotation aufweisen. Das bedeutet, dass sie ihrem Muttergest­irn stets dieselbe Seite zeigen: Während eine Hemisphäre im Strahlenst­urm brutzelt, verbleibt die sternabgew­andte Seite in ewiger gefrorener Finsternis.

Völlig ausschließ­en wollen die Wissenscha­fter das Vorhandens­ein lebensfreu­ndlicher Umstände auf Proxima Centauri b aber nicht: Sollte sich wider Erwarten eine Atmosphäre behaupten können, wäre Wasser am ehesten in den hellen Regionen des Exoplanete­n zu erwarten, schreiben Astronomen in zwei zusätzlich­en Studien, die im Fachjourna­l Astronomy & Astrophysi­cs erschienen sind. In jedem Fall hätte man es auf dieser Welt dank intensiver Strahlung und gebundener Rotation mit recht exotischen klimatisch­en Verhältnis­sen zu tun.

Zwei weitere Aspekte sprechen dafür, auf diese Entdeckung mit Optimismus zu reagieren: Proxima Centauri zählt zu den häufigsten Sternentyp­en in der Milchstraß­e, mehr als 70 Prozent aller bekannten Sterne fallen in diese Kategorie. Dass gleich der nächstgele­gene Rote Zwerg einen Felsplanet­en in seiner wohltemper­ierten Zone beherbergt, lässt darauf hoffen, dass es viele weitere solcher Exoplanete­n gibt. Und nachdem Roter-Zwerg-Sterne hunderttau­sendmal langlebige­r sind als unsere Sonne, hätte das Leben auch viel Zeit, irgendwie doch einen Weg zu finden, mit den vorhandene­n Widrigkeit­en fertigzuwe­rden.

 ??  ?? Theoretisc­h könnte es dort zwar Wasser geben, die künstleris­che Darstellun­g von Proxima Centauri b ist wohl trotzdem etwas optimistis­ch.
Theoretisc­h könnte es dort zwar Wasser geben, die künstleris­che Darstellun­g von Proxima Centauri b ist wohl trotzdem etwas optimistis­ch.

Newspapers in German

Newspapers from Austria