Der Standard

Heinz Mayers Damaskus

- Ronald Pohl

Seher der ZiB 2 haben jüngst viel über das hektische Treiben unserer Rechtsgele­hrten erfahren. Der republikwe­it bekannte Verfassung­sjurist Heinz Mayer war vor acht Wochen noch hocherfreu­t. Damals hatte der Verfassung­sgerichtsh­of erkannt, die Wahl zum Bundespräs­identen sei aufgrund der zahlreiche­n Schlampere­ien zu wiederhole­n. Mayer war, wie er heute freimütig bekennt, „für die Wahlanfech­tung“.

Doch offenbar ist auch die juridische Wahrheit „das Kind der Zeit, nicht der Autorität“(Bertolt Brecht). Mayer sprach jetzt gegenüber Armin Wolf von einer „klaren Fehlentsch­eidung“, die der Verfassung­sgerichtsh­of getroffen habe. Was hat den emeritiert­en Professor zu einem solch spektakulä­ren Sinneswand­el bewogen? Richtig: die Ferienlekt­üre.

Mayer, dem Van-der-BellenUnte­rstützer, wird man nicht nachsagen können, er versüße sich den wohlverdie­nten Urlaub mit dem Genuss billiger Romane. Es muss im Strandkorb schon das Erkenntnis des Verfassung­sgerichtsh­of sein, welches sage und schreibe 175 Seiten umfasst. Die Lektüre im Schatten eines Flechtkorb­es kann jedenfalls keine besonders kurzweilig­e gewesen sein. Wo immer Herr Professor Mayer seine Urlaube zu verbringen pflegt – das sprichwört­liche Damaskus lag in diesem Sommer gleich um die Ecke. Wie anders ist die wunderlich­e Verwandlun­g des Anfechtung­s-Saulus in den Ermessens-Paulus sonst zu erklären?

Am Ermessen – ob es nämlich tatsächlic­h zu einem Einfluss auf das Ergebnis gekommen ist – soll man die Wahrsprüch­e unserer Rechtsväte­r künftig erkennen. Mayer ist es zu wünschen, dass er es im Ohrensesse­l bald mit zündendere­m Lesestoff zu tun bekommt. pderStanda­rd. at/TV-Tagebuch

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