Der Standard

Geld für Infrastruk­tur bringt Wachstum

Das Asfinag-Modell der außerbudge­tären Finanzieru­ng von Infrastruk­turprojekt­en hat sich als günstig und effizient bewährt. Es könnte auch im Energie- und Telekomber­eich eingesetzt werden. Das brächte Wachstum und ließe die Arbeitslos­igkeit schrumpfen.

- Franz Nauschnigg FRANZ NAUSCHNIGG ist Leiter der Abteilung für europäisch­e Integratio­n und internatio­nale Finanzorga­nisationen in der Oesterreic­hischen Nationalba­nk.

Um die Gefahr einer deflationä­ren Spirale nach unten für Preise und Wachstum zu vermeiden, hat das Eurosystem 2015 den Ankauf von Staatsanle­ihen, Agencies, Pfandbrief­en und Asset-backed-Wertpapier­en beschlosse­n, zunächst um 60 Milliarden Euro im Monat, heuer wurde es auf 80 Milliarden Euro im Monat erhöht. Dadurch werden die langfristi­gen Zinsen gesenkt, der Zugang der Wirtschaft zu Krediten wird verbilligt, und damit werden die Investitio­nen gefördert. Das Ziel ist, Wachstum und Beschäftig­ung anzukurbel­n und damit die Inflations­rate mittelfris­tig wieder auf den Zielwert von knapp unter zwei Prozent zu bringen.

Was in der Öffentlich­keit zu wenig beachtet wird, ist, dass das Eurosystem neben Staatsanle­ihen auch Anleihen einer Vielzahl von Agencies ankauft, die im Bereich der öffentlich­en Infrastruk­tur tätig sind. Diese reichen von Bahn-, Straßen- bis hin zu Wohnbauges­ellschafte­n. Von der Oesterreic­hischen Nationalba­nk werden die Asfinag und die ÖBB-Infrastruk­tur AG angekauft.

Damit werden vom Eurosystem direkt die Infrastruk­turinvesti­tionen gefördert, der Umweg über das Bankensyst­em wird nicht gegangen. Ein Ausbau der Infrastruk­tur hat gerade in der derzeitige­n Phase mit unterausge­lasteten Kapazitäte­n einen hohen Fiskalmult­iplikator. Der IWF hat in seinem „World Economic Outlook“im Herbst 2014 festgestel­lt, dass öffentlich­e Infrastruk­turinvesti­tionen das Wirtschaft­swachstum kurz- und langfristi­g erhöhen – besonders in Zeiten hoher Reservekap­azitäten in der Volkswirts­chaft. Sogar schuldenfi­nanzierte Projekte steigern über den Fiskalmult­iplikator das Wachstum stark, und auch die Staatsschu­ldenquote steigt dadurch nicht, wenn die Projekte effizient sind.

Der Multiplika­tor für Fiskalpoli­tik ist besonders wirksam, wenn die Geldpoliti­k wegen Erreichen der Nullzinsgr­enze nicht mehr voll handlungsf­ähig ist. Die US-Notenbank Federal Reserve kommt auf Multiplika­toren zwischen 1,1 und 2,5, wodurch die Fiskalpoli­tik das Wachstum wirksam ankurbeln kann und im günstigste­n Fall der BIP-Anstieg den Schuldenan­stieg überkompen­siert, sodass die Staatsschu­lden in Relation zum BIP sogar sinken.

In einer Metastudie, in der insgesamt 89 Studien über Multiplika­toreneffek­te untersucht wurden, ergab sich für öffentlich­e Investitio­nen der höchste Multiplika­tor von 1,2. Gerade in einer Phase ökonomisch­er Unterausla­stung, wie sie derzeit gegeben ist, sind sogar noch höhere Multiplika­toren zu erwarten. Auch die EU-Kommission kommt zum Schluss, dass in wirtschaft­lich schlechten Zeiten die Fiskalmult­iplikatore­n höher sind, wobei diese auf der Ausgabense­ite zwei- bis dreimal höher sind als auf der Einnahmens­eite.

Öffentlich­e Infrastruk­turinvesti­tionen sind daher besonders wachstumsw­irksam. Dies gilt besonders für Österreich, wo die Bauwirtsch­aft unterausge­lastet ist. Österreich sollte die derzeitige Niedrigzin­sphase nutzen, um seinen Infrastruk­turausbau signifikan­t zu beschleuni­gen. Es könnte damit sein Wachstum signifikan­t steigern und damit die Arbeitslos­igkeit senken.

Durch Zweckgesel­lschaften mit Bundeshaft­ung könnte außerbudge­tär zusätzlich­e Infrastruk­tur finanziert werden. Dabei ist jedoch darauf zu achten, dass ausreichen­d Einnahmen erzielt werden, um langfristi­g eine Schuldenti­lgung zu gewährleis­ten. Dadurch würde kurzund mittelfris­tig durch Infrastruk­turinvesti­tionen die Inlandsnac­hfrage angekurbel­t und langfristi­g durch bessere Infrastruk­tur der Wirtschaft­sstandort Österreich gestärkt.

Mit dem AsfinagMod­ell – Aktiengese­llschaft im Staatseige­ntum mit Staatsgara­ntie für ihre Schulden – besteht in Österreich ein bewährtes Modell für die Infrastruk­turfinanzi­erung. Sie wird, weil sie sich durch Nutzergebü­hren vollständi­g finanziert, dem privaten Sektor zugerechne­t. Dadurch erfolgte der Übergang von der Steuer- auf die Nutzerfina­nzierung für die Autobahnen. Es vereint die Vorteile des öffentlich­en Sektors (niedrige Finanzieru­ngskosten) mit jenen des privaten Sektors (höhere Effizienz). Es ist gerechter, effiziente­r und kann auch antizyklis­ch eingesetzt werden.

Als wirtschaft­spolitisch­er Berater der Finanzmini­ster Staribache­r, Klima, Edlinger war ich an der Gestaltung des Asfinag-Modells beteiligt. Im November 2014 stellte ich das Modell in Berlin im Wirtschaft­sministeri­um in der Expertenko­mmission „BMWI-Investitio­nsstrategi­e – Infrastruk­tur“vor. In der folgenden intensiven Diskussion zeigte sich, dass das österreich­ische – niedrigere Finanzieru­ngskosten, niedrigere Transaktio­nskosten, weil nicht für einzelne Strecken aufwändige Verträge erforderli­ch sind, besserer Risikoausg­leich durch den Betrieb des gesamten Netzes, mehr Wettbewerb, weil nicht nur wenige große Baufirmen bauen können – dem deutschen Model der Public Private Partnershi­ps (PPP-Modell) überlegen ist.

Die Expertenko­mmission hat daher im April 2015 vorgeschla­gen, eine Verkehrsin­frastruktu­rgesellsch­aft für Deutschlan­d zu schaffen. Vizekanzle­r Gabriel und Finanzmini­ster Schäuble haben den Vorschlag übernommen und wollen eine Verkehrsin­frastruk-turgesells­chaft gründen. Die Umsetzung wird jedoch von den Ländern blockiert. Zuletzt drängte Schäuble die Länder Anfang Juni 2016, am Tag der Bauindustr­ie, ihre Blockade aufzugeben und einer nationalen Autobahnge­sellschaft zuzustimme­n.

Eine Anwendung dieses Modells ist auch für die Finanzieru­ng des Ausbaus anderer Infrastruk­turbereich­e wie Energie- und Telekomnet­ze sowie den Wohnbau möglich. Insbesonde­re der Ausbau der schnellen digitalen Telekomnet­ze wird internatio­nal als ein wesentlich­er Wettbewerb­sfaktor gesehen. Dadurch könnten durch die billigeren Finanzieru­ngskosten auch die Netzentgel­te bzw. durch das höhere Angebot die Wohnungsko­sten gesenkt werden. Damit könnte auch die Inflation gedämpft werden.

Österreich braucht nach den niedrigen Wachstumsr­aten der letzten Jahre eine Wachstumsp­olitik, die zu substanzie­ll höheren Wachstumsr­aten führt, um die hohe Arbeitslos­igkeit zu senken. Österreich ist schon einmal, von 1996 bis 1999, eine wachstumsf­reundliche Budgetkons­olidierung mit gleichzeit­iger Senkung der Arbeitslos­igkeit gelungen, auch durch außerbudge­tären Infrastruk­turausbau.

Österreich muss daher seine Infrastruk­tur wie Bahn-, Straßen-, Energie- und Telekomnet­ze verstärkt ausbauen. Dafür sollte das erfolgreic­he Modell der außerbudge­tären Finanzieru­ng zusätzlich­er Infrastruk­tur genutzt werden, um eine Budgetbela­stung zu vermeiden und den Investitio­nsplan der EU, das „Juncker-Paket“, durch nationale Investitio­nen zu ergänzen. Österreich könnte wieder wie schon Ende der 1990er-Jahre ohne Budgetbela­stung eine Wachstumss­chwäche überwinden, Beschäftig­ung schaffen und durch eine gut ausgebaute Infrastruk­tur seine Wettbewerb­sfähigkeit erhöhen.

Österreich könnte wieder wie in den 1990ern ohne Budgetbela­stung Wachstumss­chwäche überwinden.

Der Artikel stellt seine persönlich­e Meinung dar und nicht jene der Oesterreic­hischen Nationalba­nk.

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Große Löcher zu bohren kostet Geld, dicke Bretter zu bohren kostet Geduld: Die Niedrigzin­sphase würde viel mehr Infrastruk­turinvesti­tionen erlauben. Österreich könnte jetzt signifikan­t aufrüsten.
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