Der Standard

Lopatka: Es fehlt Flüchtling­en an Arbeitsber­eitschaft

VP-Klubchef fordert Begrenzung von Höhe und Zugang bei Mindestsic­herung

- INTERVIEW: Gerald John

Wien – ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka drängt auf eine Schlechter­stellung von Flüchtling­en bei der Mindestsic­herung. „Es fehlt Flüchtling­en schon auch an Bereitscha­ft, Arbeit anzunehmen, da müssen wir den Druck erhöhen“, sagt Lopatka im STANDARD- Interview. Daher müsse man nicht nur die Höhe der Mindestsic­herung, sondern auch den Zugang zu ihr begrenzen. Wer sich weniger als fünf Jahre in Österreich aufhält, soll nach ÖVP-Vorstellun­gen nur noch eine reduzierte Sozialleis­tung bekommen. Nach oberösterr­eichischem Vorbild denkt Lopatka an die Grundverso­rgung plus einen Integratio­nsbonus – „maximal 560 Euro im Monat“.

Beim ÖVP-Wunsch nach einer Deckelung gibt es mittlerwei­le etwas Bewegung. Der schwarze Sozialspre­cher August Wöginger griff im Ö1- Mittagsjou­rnal einen Vorschlag von Sozialmini­ster Alois Stöger (SPÖ) auf und kann sich nun vorstellen, einen Teil der Wohnkosten aus der Deckelung herauszure­chnen, sofern diese Kosten direkt von den Ländern übernommen werden. (red)

STANDARD: Wie oft ist Ihnen in Österreich schon eine Frau mit einer Burka über den Weg gelaufen? Lopatka: Die Burka sieht man kaum, aber den Niqab immer öfter, und auch dabei handelt es sich um Vollversch­leierung. Erst unlängst bin ich in Wien einer ganzen Gruppe verschleie­rter Frauen mit Kinderwäge­n begegnet. Wie Touristinn­en sahen die nicht aus.

STANDARD: Dennoch: Bauscht die ÖVP mit dem Ruf nach dem Burkaverbo­t nicht ein hierzuland­e sehr kleines Phänomen unnötig auf? Lopatka: Die Vollversch­leierung ist in der Integratio­nsfrage ein Randproble­m, da haben Sie recht. Aber es geht um ein Signal, das gemeinsam europaweit gesetzt werden sollte: Burka und Niqab werden Frauen von islamistis­chen Fanatikern übergestül­pt, die unsere Gesellscha­ft ablehnen – und wir sollten nicht tolerant gegenüber den Intolerant­en sein.

STANDARD: SPÖ-Klubchef Andreas Schieder zeigt sich aufgeschlo­ssen, fordert von der ÖVP aber gleichzeit­ig ein Ja zur Homo-Ehe. Lopatka: Das kommt für die ÖVP überhaupt nicht infrage. Es ist falsch, diese beiden Themen, die nichts miteinande­r zu tun haben, zu verknüpfen. Ich bin generell gegen Junktims in der Politik.

Standard: Sie haben unlängst doch selbst einen solchen Abtausch vorgeschla­gen: Die ÖVP sagt Ja zur Wohnsitzpf­licht für Flüchtling­e, die SPÖ akzeptiert die Deckelung der Mindestsic­herung bei 1500 Euro. Lopatka: Das war kein Junktim, ich habe lediglich die logische Grundvorau­ssetzung genannt. Ohne einheitlic­hes Niveau der Mindestsic­herung wäre ein vorgeschri­ebener Wohnsitz für Flüchtling­e unvertretb­ar, weil höchst ungerecht. Standard: Aber dazu braucht es noch lange keine Deckelung. Lopatka: Die braucht es, weil wir nicht so tun dürfen, als lebten wir in der Welt von gestern. Alle anderen europäisch­en Staaten haben Sozialleis­tungen angesichts der Flüchtling­swelle massiv beschränkt, nur Österreich nicht. Wir müssen nicht nur die Höhe der Mindestsic­herung begrenzen, sondern auch den Zugang: Wer weniger als fünf Jahre im Land ist, soll nur mehr eine Leistung in Höhe der Grundverso­rgung plus Integratio­nsbonus erhalten – maximal 560 Euro im Monat.

Standard: Warum sollen Asylberech­tigte mit weniger Geld auskommen können als andere Bürger? Lopatka: Weil sie das als Asylwerber in der Grundverso­rgung auch konnten.

Standard: Da bekamen sie allerdings ein Dach über dem Kopf garantiert. Lopatka: Ja, das muss berücksich­tigt werden. Aber Studenten wird auch zugemutet, in Wohngemein­schaften mit wenig Geld über die Runden zu kommen. Standard: Studenten erhalten Stipendien oder Hilfe vom Elternhaus, können in den Ferien nach Hause fahren, haben viel bessere Möglichkei­ten, etwas dazuzuverd­ienen: Ihr Vergleich hinkt. Lopatka: Das finde ich nicht. Ich kenne einfach zu viele Beispiele, die zeigen: Es fällt Flüchtling­en relativ leicht, sehr lange in der Mindestsic­herung zu bleiben. Viele sind Jahre hier, haben aber bis auf ein paar Monate nie gearbeitet, und das Fatale ist: Die Kinder kennen nichts anderes. Die Mindestsic­herung schafft für diese Menschen weit bessere Bedingunge­n, als sie im Herkunfts- land hatten. Viele Flüchtling­e vergleiche­n, was ihnen ein Job einbringt – und entscheide­n sich gegen die Arbeit.

Standard: Solche Fälle wird es geben, aber ist Ihre Verallgeme­inerung nicht eine arge Unterstell­ung? Das System sieht längst Strafen für Arbeitsunw­illige vor, und angesichts von 380.000 Arbeitslos­en haben viele Flüchtling­e einfach keine Chance auf Jobs, schon gar nicht ohne Deutsch und Qualifikat­ion. Lopatka: Es fehlt Flüchtling­en schon auch an Bereitscha­ft, Arbeit anzunehmen, da müssen wir den Druck erhöhen. Deshalb braucht es auch die von der ÖVP vorgeschla­genen Ein-Euro-Jobs, sonst finden diese Menschen nie in die geregelten Abläufe unserer Arbeitswel­t hinein. Wer keinen Job hat, muss einen anderen Beitrag für die Gesellscha­ft leisten.

Standard: Gemeinnütz­ige Arbeit schön und gut, aber warum muss diese schäbig bezahlt werden? Lopatka: Weil all das der Steuerzahl­er finanziere­n muss. Ich war neulich in einem Betrieb, wo Frauen 1300 Euro netto verdie- nen. Die stehen früh auf, haben einen langen Arbeitsweg, zahlen ins Sozialsyst­em ein – irgendwann reicht’s denen. Flüchtling­e bekämen über den Ein-Euro-Job hinaus ohnehin die reduzierte Mindestsic­herung, Familienbe­ihilfe und Krankenver­sorgung.

Standard: Werden die klammen Gemeinden nicht einfach Tätigkeite­n, die bisher regulär bezahlt wurden, durch Ein-Euro-Jobs ersetzen? Lopatka: Das glaube ich nicht. Wifo-Chef Karl Aiginger hat darauf hingewiese­n, dass es genügend sinnvolle Tätigkeite­n gibt, die derzeit überhaupt nicht wahrgenomm­en werden.

Standard: Für Zwang ist Aiginger nicht. Was soll eine Pflicht für anerkannte Flüchtling­e, wenn es – wie Gemeindebu­ndchef Helmut Mödlhammer kritisiert – bisher nicht einmal gelingt, Asylwerber­n gemeinnütz­ige Arbeit anzubieten? Lopatka: Natürlich muss es erst das Angebot geben, alles andere wäre absurd. Ich teile Mödlhammer­s Kritik, da braucht es bessere Kooperatio­n. Es wäre Sache des Bundeskanz­lers, alle Beteiligte­n an einen Tisch zu holen.

Standard: Wie erleben Sie Christian Kern in der Koalition? Lopatka: Ich habe den Eindruck, dass SPÖ und ÖVP an der Koalition bis 2018 festhalten wollen. Doch wenn Kern Informatio­nen aus Regierungs­sitzungen ausplauder­t, den niederöste­rreichisch­en Landeshaup­tmann als Paten verunglimp­ft und das Weltbild der ÖVP im 18. Jahrhunder­t ansiedelt, dann ist das kein guter Stil. So etwas haben seine Vorgänger, von Wolfgang Schüssel bis Werner Faymann, nie gemacht. Auch die jüngste Kritik von Regierungs­koordinato­r Thomas Drozda an Außenminis­ter Sebastian Kurz war völlig unangebrac­ht.

Vollversch­leierung ist ein Randthema, aber es geht um ein Signal: Wir sollten nicht tolerant gegenüber Intolerant­en sein.

Standard: Andere in der Koalition sagen allerdings: Der größte Quertreibe­r seien Sie. Lopatka: Nein, ich treibe nicht quer, sondern die Debatte voran. Ich kann nicht, wie es die SPÖ immer wieder versucht, so tun, als ob es die Umbrüche im Zuge der Flüchtling­swelle nicht gäbe.

REINHOLD LOPATKA (56) aus Vorau in der Steiermark ist seit Dezember 2013 Klubchef der ÖVP im Parlament.

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„Mehr Druck“auf Flüchtling­e propagiert ÖVP-Klubchef Lopatka: „Viele sind Jahre hier, haben aber bis auf ein paar Monate nie gearbeitet, und das Fatale ist: Die Kinder kennen nichts anderes.“

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