Streit um Burkiniverbot
Französische Ministerin kritisiert Vorschrift
Paris – Zu den Verboten von Ganzkörperbadeanzügen für Musliminnen – sogenannten Burkinis – an Frankreichs Stränden gibt es in der Pariser Regierung unterschiedliche Stimmen. Bildungsministerin Najat Vallaud-Belkacem erklärte am Donnerstag, die Verbote würden „den Weg für rassistische Parolen“ebnen und auch die Frage nach der Garantie anderer individueller Freiheiten aufwerfen. Premierminister Manuel Valls hingegen äußerte Verständnis für derlei Maßnahmen.
Die EU wolle sich nicht einmischen, erklärte ein Kommissionssprecher. Es liege an jedem Mitgliedstaat, selbst Regeln für das Zusammenleben festzusetzen. Das gelte auch für die Diskussion um ein Verbot der Vollverschleierung etwa durch Burkas, wie sie in mehreren EU-Staaten geführt wird. (red)
Es sind wenige Einzelfälle an den vielen Tausend Kilometer langen Küstenstrichen Frankreichs, die derzeit für Konflikte sorgen. Aber die paar Frauen, die mit einem Burkini, einem den ganzen Körper bedeckenden Badekleid, an den Strand gehen, haben einen regelrechten Kulturkampf losgetreten. Auslöser waren die Bilder von Polizisten, die in Nizza eine Muslimin bestraften, die am Strand lange Kleidung und Kopftuch getragen hatte. Nur ein Dutzend der hunderten Strandgemeinden haben ein Burkiniverbot erlassen, die meisten stehen – wie etwa Nizza oder Cannes – unter dem Eindruck der Terroranschläge.
Geradezu „explosiv“– so der Radiosender France-Info – wird die Debatte wegen der nahenden Präsidentschaftswahlen. Der konservative Oppositionschef Nicolas Sarkozy verband seinen ersten Kandidaturauftritt im Fernsehen mit einer Tirade gegen den Burkini. Das – 2005 in Australien von einer Libanesin kreierte – Kleidungsstück sei eine „Provokation“und ein „militanter Akt“islamischer Prägung, meinte der Ex-Präsident. In der Linksregierung gehen die Meinungen stark auseinander: Premierminister Manuel Valls billigt die Verbote, um die „öffentliche Ordnung“zu gewähr- leisten. Seine Parteifreundin Najat Vallaud-Belkacem distanzierte sich jedoch von jedem Burkiniverbot: „Es vergrößert die Probleme nur noch“, meint die Bildungsministerin. Radikale Islamisten würden nur darauf warten, einen neuen Beleg für die angebliche Diskriminierung von Millionen Muslimen im Land zu finden.
Angesichts des gespannten Umfeldes obliegt es nun einigen Rich- tern, einen Grundsatzentscheid zur Burkini-Frage zu fällen. Der Conseil d’Etat, das höchste Verwaltungsgericht des Landes, berät seit Donnerstag in Paris über die Frage, ob die lokalen Verbote zulässig sind. Im laufenden Wahlkampf ist allerdings nicht zu erwarten, dass ihr Urteil, auf das am Abend noch gewartet wurde, die politische Debatte beenden oder gar befrieden kann.