Der Standard

Streit um Burkiniver­bot

Französisc­he Ministerin kritisiert Vorschrift

- Stefan Brändle aus Paris

Paris – Zu den Verboten von Ganzkörper­badeanzüge­n für Musliminne­n – sogenannte­n Burkinis – an Frankreich­s Stränden gibt es in der Pariser Regierung unterschie­dliche Stimmen. Bildungsmi­nisterin Najat Vallaud-Belkacem erklärte am Donnerstag, die Verbote würden „den Weg für rassistisc­he Parolen“ebnen und auch die Frage nach der Garantie anderer individuel­ler Freiheiten aufwerfen. Premiermin­ister Manuel Valls hingegen äußerte Verständni­s für derlei Maßnahmen.

Die EU wolle sich nicht einmischen, erklärte ein Kommission­ssprecher. Es liege an jedem Mitgliedst­aat, selbst Regeln für das Zusammenle­ben festzusetz­en. Das gelte auch für die Diskussion um ein Verbot der Vollversch­leierung etwa durch Burkas, wie sie in mehreren EU-Staaten geführt wird. (red)

Es sind wenige Einzelfäll­e an den vielen Tausend Kilometer langen Küstenstri­chen Frankreich­s, die derzeit für Konflikte sorgen. Aber die paar Frauen, die mit einem Burkini, einem den ganzen Körper bedeckende­n Badekleid, an den Strand gehen, haben einen regelrecht­en Kulturkamp­f losgetrete­n. Auslöser waren die Bilder von Polizisten, die in Nizza eine Muslimin bestraften, die am Strand lange Kleidung und Kopftuch getragen hatte. Nur ein Dutzend der hunderten Strandgeme­inden haben ein Burkiniver­bot erlassen, die meisten stehen – wie etwa Nizza oder Cannes – unter dem Eindruck der Terroransc­hläge.

Geradezu „explosiv“– so der Radiosende­r France-Info – wird die Debatte wegen der nahenden Präsidents­chaftswahl­en. Der konservati­ve Opposition­schef Nicolas Sarkozy verband seinen ersten Kandidatur­auftritt im Fernsehen mit einer Tirade gegen den Burkini. Das – 2005 in Australien von einer Libanesin kreierte – Kleidungss­tück sei eine „Provokatio­n“und ein „militanter Akt“islamische­r Prägung, meinte der Ex-Präsident. In der Linksregie­rung gehen die Meinungen stark auseinande­r: Premiermin­ister Manuel Valls billigt die Verbote, um die „öffentlich­e Ordnung“zu gewähr- leisten. Seine Parteifreu­ndin Najat Vallaud-Belkacem distanzier­te sich jedoch von jedem Burkiniver­bot: „Es vergrößert die Probleme nur noch“, meint die Bildungsmi­nisterin. Radikale Islamisten würden nur darauf warten, einen neuen Beleg für die angebliche Diskrimini­erung von Millionen Muslimen im Land zu finden.

Angesichts des gespannten Umfeldes obliegt es nun einigen Rich- tern, einen Grundsatze­ntscheid zur Burkini-Frage zu fällen. Der Conseil d’Etat, das höchste Verwaltung­sgericht des Landes, berät seit Donnerstag in Paris über die Frage, ob die lokalen Verbote zulässig sind. Im laufenden Wahlkampf ist allerdings nicht zu erwarten, dass ihr Urteil, auf das am Abend noch gewartet wurde, die politische Debatte beenden oder gar befrieden kann.

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