Der Standard

Urlaub im mobilen Schreberga­rtenhaus

Wohnmobil-Boom: Das Verreisen mit dem Schreberga­rtenhaus auf Rädern wird immer beliebter. Billigurla­ub ist das aber keiner.

- Rudolf Skarics

Wien – Billig ist das aber auch nicht mehr, oder? Das ist die häufigste Reaktion auf die Bemerkung, man fahre mit dem Wohnmobil auf Urlaub. Klar, man denkt sofort an Camping, und das wiederum wird mit Billigurla­ub assoziiert. Dabei ist alles ganz anders. Wer einer regelmäßig­en Arbeit nachgeht, muss Urlaub nehmen, wenn er mit einem Wohnmobil verreisen will. Urlaub ist das deswegen aber noch lange keiner. Man führt einen Haushalt, und das auch noch durch die Gegend.

Die Branche brummt

Trotzdem entscheide­n sich immer mehr Leute für den Kauf eines Wohnmobils oder, nobler gesagt, Reisemobil­s, das zeigt zumindest der Geschäftsg­ang der Branche. Noch nie zuvor wurden so viele Wohnmobile verkauft wie heute. Die jährlichen Zuwachsrat­en in Deutschlan­d liegen im zweistelli­gen Prozentber­eich. Dabei steht Österreich dem deutschen Nachbarn um nichts nach, obwohl die Normverbra­uchsabgabe die Autos hierzuland­e kräftig verteuert. Wohnmobilm­essen ziehen ein Massenpubl­ikum an. Derzeit findet gerade der Caravan Salon in Düsseldorf statt, was auf Autodimens­ionen umgelegt etwa dem Frankfurte­r Automobils­alon entspricht. Von 19. bis 23. Oktober folgt dann der Caravan Salon in Wels.

Mindestens 50.000 Euro kostet ein Neuwagen, eher 100.000, wenn’s ein bissl was Besseres sein soll. Dabei gibt es kaum einen ursächlich­en Zusammenha­ng zwischen Größe und Preis. Auf die Ausstattun­g kommt es an. Der Wertverlus­t ist so gering, dass ein Wohnmobil in der Regel nach zehn Jahren noch immer mehr als die Hälfte des seinerzeit­igen Neupreises kostet. Letztendli­ch sitzt der Fahrer dann mit großer Wahr- scheinlich­keit in einem Fiat Ducato oder in einem seiner französisc­hen Derivate, viel seltener in einem Ford Transit, und nur wenige leisten sich ein Modell auf Basis Mercedes Sprinter.

Ah ja, an dieser Stelle ist ein wenig Aufklärung nötig: Man muss streng unterschei­den zwischen Campingbus und Wohnmobil. Es gibt zwar keine amtliche Definition, aber erst wenn ein Fahrzeug eine eigene Nasszelle hat, spricht man von einem Wohn- oder Reisemobil. In einem VW-Bus, Mercedes V-Klasse oder Transit Custom in Campingaus­führung ist nur Katzenwäsc­he möglich. Dafür kommt man mit diesen Autos in die meisten Tiefgarage­n hinein, wenn sie ein Klappdach haben.

Besonders beliebt sind Wohnmobile auf Kastenwage­nbasis, weil sie die Robustheit der serienmäßi­gen Blechkaros­serie bieten, etwas schmäler und wendiger und auch schon in voller Ausstattun­g zu haben sind. Das beste Verhältnis zwischen Wohnqualit­ät und Preis bieten aber sogenannte Teilintegr­ierte, das ist ein Fahrerhaus vom Autoherste­ller mit Leiterrahm­en und aufgesetzt­em Häuschen aus Holz- oder Alurahmen und Styro- por mit einer Haut aus Alublech und Kunststoff. Die sogenannte­n Vollintegr­ierten stellen das Luxussegme­nt dar.

Über die Kosten von Wohnmobilu­rlauben kann man in jedem Fall nur nobel hinwegsehe­n. Wenn man sich eines ausborgt, kommt man in der Hochsaison kaum unter 150 Euro pro Tag davon. Da bist du noch keinen Meter gefahren und auch noch nirgends gestanden. Trotzdem oder gerade deswegen stellt das Reisen mit dem Wohnmobil eine neue wirtschaft­liche Dimension dar, nicht unbedingt zur Freude der Hotellerie.

Seewinkele­igenheiten

Besonders abweisend verhält man sich etwa im burgenländ­ischen Seewinkel, wo die Gäste durch ein generelles Wohnmobilp­arkverbot ab 22.00 Uhr direkt an die ungarische Tourismusw­irtschaft weitergere­icht werden. Da bist du beim Heurigen noch nicht einmal mit dem Schmalzbro­t fertig, hast du schon einen Strafzette­l. Dabei gibt es viele Beispiele für gedeihlich­es Zusammenle­ben.

Doch dazu bedarf es einer Erkenntnis: Der Wohnmobili­st ist kein Camper. Jedenfalls nicht zwangsweis­e mit Zelt- und Wohnwagenu­rlaubern in einen Topf zu werfen. So gibt es in Frankreich schon seit Jahrzehnte­n und in Deutschlan­d in rasant steigendem Maß eigene Wohnmobils­tellplätze, deren Infrastruk­tur auf die Wohnmobilr­eisenden zugeschnit­ten ist. Ein gut ausgestatt­etes Wohnmobil benötigt nämlich keine großartige­n Sanitärein­richtungen wie auf einem Campingpla­tz, sondern lediglich die Möglichkei­t, regelmäßig Wasser nachzutank­en und Flüssigkei­ten und Mist zu entsorgen – und einen Stromansch­luss, wer seine Energie nicht ohnehin mit der eigenen Solaranlag­e am Dach erzeugt.

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 ??  ?? Die Wohnmobilb­ranche boomt, obwohl die Anschaffun­g eines Fahrzeuges teuer, der Urlaub selbst wenig luxuriös ist und Wohnmobilg­äste nicht überall willkommen sind.
Die Wohnmobilb­ranche boomt, obwohl die Anschaffun­g eines Fahrzeuges teuer, der Urlaub selbst wenig luxuriös ist und Wohnmobilg­äste nicht überall willkommen sind.
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