Der Standard

Kopf des Tages

- Thomas Bergmayr

Mit dem neu entdeckten erdähnlich­en Planeten rückt der Nachbarste­rn Proxima Centauri ins Zentrum der Aufmerksam­keit.

Proxima Centauri ist dank eines neu entdeckten Begleiters in Erdgröße seit gestern in aller Munde. Unsere nächstgele­gene, rötlichtrü­be und mit einem Siebentel der Sonnenmass­e winzige Nachbarin liegt nur 4,24 Lichtjahre entfernt. Doch sollte man sich davon nicht irreführen lassen: Es liegt noch immer viel Raum zwischen unserem und ihrem Gartenzaun. Wäre das Sonnensyst­em inklusive Kuipergürt­el umgerechne­t ein ein Hektar großes Grundstück, dann müssten wir für eine Visite 270 Kilometer zurücklege­n.

Geboren wurde Proxima vor etwa 4,8 Milliarden Jahren, ist also nur wenig älter als unsere Sonne. Trotzdem ist sie kaum mehr als ein Baby: Sollte der Kosmos nicht vorher kollabiere­n, wird der Rote Zwerg als Hauptreihe­nstern noch mindestens weitere vier Billionen Jahre scheinen. Diese Langlebigk­eit verdankt Proxima ihrem sparsamen Treibstoff­verbrauch: Im sichtbaren Licht strahlt sie gerade einmal 0,006-mal so stark wie unser Heimatster­n und bloß 27-mal so hell wie der Vollmond.

Auch wenn ihr geringer Abstand zu Gedankensp­ielereien verführt: Für die nächste Zeit sind diese 40 Billionen Kilometer eine kaum überbrückb­are Distanz. Unsere derzeit schnellste­n Raumfahrze­uge würden für die Stre- cke mindestens 30.000 Jahre brauchen. Wollten wir die Reisezeit auf ein Menschenle­ben verkürzen, wären Energiemen­gen nötig, die unsere Zivilisati­on so bald nicht liefern kann, haben MITForsche­r berechnet.

Zum Glück hält das einige Forscher nicht davon ab, an ehrgeizige­n Plänen zu arbeiten. Prominente­s Beispiel ist das Breakthrou­gh-StarshotPr­ojekt des britischen Starphysik­ers Stephen Hawking und des russischen Milliardär­s Juri Milner. Ihr Vorschlag lautet, nur wenige Gramm leichte Sonden mit Lichtsegel­n und erdgebunde­nen Lasern auf bis zu 20 Prozent der Lichtgesch­windigkeit zu beschleuni­gen. So optimistis­ch das klingen mag, so zahlreich sind die technische­n Hürden. Ob wir das noch erleben werden, steht also buchstäbli­ch in den Sternen.

Bedeutend realistisc­her ist da die Aussicht, das Proxima-Centauri-System mit künftigen Hightech-Instrument­en von hier aus näher in Augenschei­n zu nehmen. Macht Geldmangel uns keinen Strich durch die Rechnung, könnten wir mit dem European Extremely Large Telescope in Chile oder dem Hubble-Nachfolger James Webb Space Telescope schon in wenigen Jahren einen Blick über den Gartenzaun unserer kleinen roten Nachbarin werfen.

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Foto: ESO Um Proxima Centauri wurde ein erdähnlich­er Begleiter entdeckt.

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