„Sommerloch-Populismus“
Richter und Staatsanwälte gegen Sobotka-Vorschlag
Wien – In Justizkreisen hat man keine große Freude mit dem jüngsten Vorschlag von Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP). „Das ist Sommerloch-Populismus. Jede Woche kommt eine neue Idee, ohne dass vorher mit den Experten gesprochen wird“, beklagt der Präsident der Richtervereinigung, Werner Zinkl.
Sobotka hatte zuvor im 2+1-Sommergespräch des STANDARD dafür plädiert, kleinere Delikte wie Ladendiebstahl künftig nicht mehr als Straf-, sondern nur mehr als Verwaltungsdelikte zu sehen. Derartige Verfahren würden Polizei sowie Staatsanwälte und Richter jetzt nur frustrieren, weil sie mit viel Arbeit und Kosten verbunden seien, häufig aber mit Einstellungen oder Bewährungsstrafen enden. Bei den Tätern könne durch eine Verwaltungsstrafe zudem ein größerer Lerneffekt erzielt werden, sagte Sobotka, laut dem die Details nun mit dem Justizressort verhandelt werden.
Zinkl hält den Vorschlag aber für „echt entbehrlich“. Häufig stelle sich erst im Rahmen der strafrechtlichen Verhandlung heraus, ob jemand weitere Diebstähle oder auch ein anderes Delikt – etwa Körperverletzung – begangen habe. Zudem gebe es bei Strafverfahren höhere Rechtsschutzstandards.
Ähnlich argumentiert der Präsident der Staatsanwältevereinigung, Gerhard Jarosch. Das Recht auf einen Anwalt oder einen Dolmetscher spreche für die Strafgerichtsbarkeit. Die Abgrenzung zwischen Verwaltungs- und strafrechtlichem Delikt sei in der Praxis zudem schwierig. Fragen, ob bestimmte Wertgrenzen überschritten wurden oder Gewerbsmäßigkeit vorliege, könnten oft nicht auf die Schnelle entschieden werden. Die Trennung von Ankläger und Richter sei zudem ein wesentlicher Teil des heimischen Rechtssystems. Er habe beim SobotkaVorstoß daher „massive Bedenken“, sagt Jarosch. Vor allem auch, weil er im Gegensatz zu Sobotka grundsätzlich „keine Notwendigkeit“für Änderungen sieht.
Sicherheitsleistung
Von Praktikern ist zudem zu hören, dass es ohnehin bereits die Möglichkeit von Sicherheitsleistungen im Strafrecht gibt. Besteht also bei einem Ladendieb der Verdacht, er könnte nicht zum Prozess erscheinen (weil er zum Beispiel keinen festen Wohnsitz hat), kann die Polizei nach Rücksprache mit dem Staatsanwalt einen bestimmten Geldbetrag vom mutmaßlichen Täter einbehalten. Ist kein Bargeld vorhanden, können auch Wertgegenstände – etwa Handys, auf die auch Sobotka zugreifen will – sichergestellt werden.
Das Problem dabei: Von dieser Möglichkeit wird bisher kaum Gebrauch gemacht. Laut Informationen des STANDARD wird daher ein Erlass des Justizministeriums vorbereitet, damit verstärkt mit solchen Sicherheitsleistungen gearbeitet wird. Dann stellt sich möglicherweise die Frage von reinen Verwaltungsstrafen bei Kleindelikten gar nicht mehr.