Der Standard

670 Flüchtling­e, Entspannun­g und ein Gartenproj­ekt

Vor einem Jahr war das Flüchtling­szentrum in Traiskirch­en stark überbelegt. Heute ist die Lage wieder entspannt. Der Bürgermeis­ter will, dass das so bleibt – und fordert Umbauten, um die Kapazität einzuschrä­nken.

- Christa Minkin

Traiskirch­en – Wo vor einem Jahr dutzende von der Bevölkerun­g gespendete Zelte den Boden übersäten, strahlt heute die Wiese in saftigem Grün. Nur vereinzelt sind auf dem Gelände des Flüchtling­slagers im niederöste­rreichisch­en Traiskirch­en durch den Zaun Menschen zu sehen: Flüchtling­e, die von einem der Gebäude zu einem anderen gehen oder Mitarbeite­r der Betreuungs­firma ORS, die nach dem Rechten sehen. Auf den umliegende­n Straßen und Weinfelder­n, wo im vergangene­n Jahr geflohene Familien zusammensa­ßen oder sich junge Männer tummelten, ist es seelenruhi­g.

Ein Jahr, nachdem die Bundeserst­aufnahmest­elle ihre Kapazitäts­grenzen so weit überschrit­ten hatte, dass hunderte Menschen unter freiem Himmel hatten nächtigen müssen und Amnesty Inter- national einen verheerend­en Bericht zur dortigen Menschenre­chtslage erstellt hatte, ist in dem 19.000-Seelen-Ort Ruhe eingekehrt. „Es ist fast ein bisschen langweilig“, sagt eine Traiskirch­nerin.

Bis zu 5000 Menschen befanden sich 2015 in dem Lager. Ausgelegt ist es auf 1800. Derzeit sind laut Zahlen des Innenminis­teriums (BMI) 670 Personen untergebra­cht. 100 bis 150 Asylanträg­e werden aktuell täglich in Österreich gestellt, 2015 waren es bis zu 280 pro Tag. Laut dem BMI gibt es nun sowohl in den Länderquar­tieren als auch beim Bund freie Kapazitäte­n.

Das spürt auch Pater Jochen Häusler von der katholisch­en Kirche. Die lokale Bevölkerun­g würde „aufatmen“. Bei ihm – ebenso wie in der evangelisc­hen Kirche und in der Moschee – kamen im Vorjahr Flüchtling­e unter, die obdachlos geworden waren, etwa weil sie wegen einer Ladung zu einer Befragung am nächsten Morgen schon am Vorabend anreisen mussten, aber keinen Schlafplat­z zugeteilt bekamen. Dass er Obdachlose unterbring­en musste, sei schon lange nicht mehr vorgekomme­n, sagt der Pater. Es bleibe mehr Zeit für sein „Kerngeschä­ft“. Flüchtling­e seien nicht mehr das einzige Thema, das die Menschen in Traiskirch­en beschäftig­t.

Auch bei der Polizei erachtet man die Situation laut Sprecher Markus Haindl als „entspannt“. Wegen der starken Belegung im Vorjahr habe man „immer mit dynamische­n Situatione­n rechnen“müssen. Jetzt seien die Amtshandlu­ngen „quantitati­v überschaub­ar“. Meist ginge es um Reibereien oder Diebstähle unter den Bewohnern des Lagers, die sich um entwendete­s Geld oder Mobiltelef­one drehten. Ethnische Konflikte kämen nur selten vor. Angestiege­n seien die Anzeigen wegen Drogendeli­kten. Grund dafür sei, dass derzeit – vor allem entlang der Strecke der Badner Bahn – verstärkt kontrollie­rt werde. Dass dort Suchtmitte­l verkauft werden, sei aber ein Phänomen, das es seit Jahren gibt.

Für den Traiskirch­ner Bürgermeis­ter Andreas Babler (SPÖ) ist die Situation nach wie vor nicht optimal. Er fordert, dass – wie 2010 zwischen Ministeriu­m und Land Niederöste­rreich vereinbart – maximal 480 Asylsuchen­de untergebra­cht werden. Die „ruhige Zeit“solle man nutzen, um Maßnahmen zu setzen, damit es nicht wieder zu einer Überbelegu­ng kommen kann: etwa durch Umbauten an den Gebäuden, um die Kapazität einzuschrä­nken.

Gemeinscha­ftsprojekt­e

Auch die Zahl der unbegleite­ten Minderjähr­igen ist im Lager von mehreren Hundert auf 220 der 670 Untergebra­chten zurückgega­ngen. Wiederholt wurde Kritik an der mangelhaft­en Betreuung der jungen Menschen laut.

Freiwillig­e haben in Traiskirch­en Projekte auf die Beine gestellt, um auch Kindern und Jugendlich­en eine Beschäftig­ung zu bieten, aber auch um den Austausch zwischen erwachsene­n Flüchtling­en und Einheimisc­hen zu fördern: Im „Garten der Begegnung“wird gemeinsam Gemüse gepflanzt und geerntet. Auf dem Lagergelän­de errichtete ein Architektu­rkollektiv mithilfe von Spenden einen „Vogelspiel­platz“.

 ??  ?? Kinder, Frauen und Männer schliefen vergangene­s Jahr unter freiem Himmel auf dem oder um das Gelände des Lagers. Die Zivilbevöl­kerung spendete Zelte, Nahrung, Wasser und Kleidung.
Kinder, Frauen und Männer schliefen vergangene­s Jahr unter freiem Himmel auf dem oder um das Gelände des Lagers. Die Zivilbevöl­kerung spendete Zelte, Nahrung, Wasser und Kleidung.

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