Der Standard

Lehre für Ältere bleibt beim Staat hängen

Lehrlinge im fortgeschr­ittenen Alter gibt es vorwiegend in überbetrie­blicher Ausbildung

- Regina Bruckner

Wien – Die Lehre wäre nicht nur eine Option für Flüchtling­e, so Integratio­nsexperte August Gächter im STANDARD. Das Modell für Erwachsene zu öffnen sei auch für ältere Österreich­er mit Schwierigk­eiten am Jobmarkt hilfreich. In der Wirtschaft­skammer ist man irritiert. „Jeder kann eine Lehre machen, auch ein 90-Jähriger“, sagt Alfred Freundling­er, Vizeleiter der Abteilung für Bildungspo­litik.

Theoretisc­h hat Freundling­er recht. Jeder, der einen Lehrherrn findet, kann eine Lehre antreten, wenn er mit der Lehrlingse­ntschädigu­ng von gut 300 Euro auskommt. Diese ist auch Teil des Problems. Die Ausbildung beginnt in der Regel mit 15 Jahren. Wer älter ist, kann sich das – auch bei Überbezahl­ung – kaum leisten, selbst wenn in manchen Bundesländ­ern – darunter in Wien – auf die Mindestsic­herung aufgestock­t wird. In anderen Bundesländ­ern fällt, wer eine Lehre macht, ganz aus der Mindestsic­herung heraus. Im Sozialmini­sterium, wo man Gächters Idee etwas abgewinnen kann, heißt es, das sei jetzt in den Reformgesp­rächen zu behandeln.

Ob eine bundesweit­e Aufstockun­g große Wirkung hätte, ist schwer abschätzba­r. Laut WKOAufzeic­hnungen gab es im Vorjahr im unternehme­rischen Regelbetri­eb nur zwei Lehrlinge im Alter von 58 Jahren, zwei im Alter von 50, immerhin elf im Alter von 45. Insgesamt liegt die Zahl der ab 36-Jährigen bei gut 120 – bei einer Gesamtzahl von knapp 110.000 Lehrlingen derzeit.

Wer arbeitslos ist, greift stärker darauf zurück. In der überbetrie­blichen Facharbeit­erintensiv­ausbildung haben vergangene­s Jahr 8772 Arbeitslos­e einen Kurs mit Lehrabschl­uss absolviert, wie Zahlen des Arbeitsmar­ktservice zeigen. Mit 1343 Personen war jeder Siebente über 40 Jahre, fast 90 Prozent über 20 Jahre. Die Kosten dafür trägt naturgemäß der Staat.

Staatlich gefördert werden auch ausbildung­swillige Firmen. Laut Zahlen des AMS werden Betriebe bei rund 10.000 Lehrlingen unterstütz­t, davon rund 1400, die über 19 Jahre alt sind. Ein echtes Indiz dafür, dass Unternehme­n sich angesichts der Mühen der Ebene tatsächlic­h überlegen, Lehrlinge selbst auszubilde­n, ist das aber noch nicht. Der Anteil jener, die im Alter von 15 Jahren eine Lehre machen, liegt etwa bei 40 Prozent. Damit ist er entspreche­nd der demografis­chen Entwicklun­g seit Jahren recht stabil.

Was die Lehre für Ältere betrifft, würde man im Sozialmini­sterium gerne das Fachkräfte­stipendium wiederbele­ben, sagt ein Sprecher. 2013 für verschiede­ne Mangelberu­fe eingeführt, wurde es Anfang 2016 ob großen Zuspruchs und weil das Geld anderswo gebraucht wurde, eingestell­t. Interessie­rt haben dürfte es aber ohnehin eher bildungsaf­fine Menschen.

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