Der Standard

Wie Frankreich Reisende nun locken will

Der Fremdenver­kehr in Frankreich hat diesen Sommer schwer unter der Terrordroh­ung gelitten. Jetzt startet das erste Reiseland eine Charmeoffe­nsive, um die internatio­nale Kundschaft zurückzuge­winnen.

- Stefan Brändle aus Paris

Paris ist derzeit, frei nach Hemingway, wirklich ein Fest. Auf den Bistro-Terrassen der Prachtaven­ue Champs-Élysées, wo sonst um jeden Stuhl gerangelt wird, findet man derzeit bequem Platz. Vor dem Louvre-Museum oder dem Eiffelturm bilden sich kaum Warteschla­ngen, in den Hotels findet man problemlos Zimmer – und dies meist noch mit einem Abschlag; einzelne Fünf-Sterne-Adressen haben ihre Tarife um bis zur Hälfte reduziert.

Was die einen freut, nennt Frédéric Valletoux, Vorsteher der Tourismusk­omitees der Region Paris, eine „industriel­le Katastroph­e“. Seit Jahresbegi­nn ist die Zahl der Reisenden im Großraum der französisc­hen Hauptstadt um 9,9 Prozent zurückgega­ngen. Die Branche hat damit eine Milliarde Euro weniger Umsatz gemacht. Am stärksten ist der Einbruch bei den ausländisc­hen Touristen. Die zahlungskr­äftigen Japaner sind zu 46 Prozent ausgeblieb­en, dahinter kommen die Chinesen, Amerikaner und Italiener.

Schuld am Touristens­chwund sind natürlich die Terroransc­hläge der letzten Monate in Paris und – am französisc­hen National- feiertag des 14. Juli – in Nizza an der Côte d’Azur. Aber es spielten auch andere Faktoren mit. „Attentate, Sozialprot­este mit Krawallen und Raffinerie-Blockaden, SeineÜbers­chwemmung, Streiks bei Air France, Taxikrieg – schlimmer ging es gar nicht“, seufzt Valletoux.

Nur die Skandinavi­er und Briten ließen sich von diesen Negativsch­lagzeilen nicht abhalten. Die Franzosen selbst sorgten ebenfalls dafür, dass die vielen Sommerfest­ivals in ihrem Land fast alle aus- verkauft waren. Sofern sie nicht, wie etwa das Jazzfestiv­al von Nizza, schlicht abgesagt wurden. Bei fernöstlic­hen Reisenden besonders beliebte Reiseziele wie der Mont Saint-Michel in der Bretagne oder die Loire-Schlösser erlitten einen ähnlich starken Besucherrü­ckgang wie Paris.

Diese Entwicklun­g bedroht auch Frankreich­s Stellung als weltweit erstes Reiseland mit 84,5 Millionen Besuchern noch im Jahr 2015. In dieser Zahl sind allerdings auch die Durchreise­nden enthalten, die auf dem Weg in den Süden nur eine Nacht in Frankreich verbringen. Umsatzmäßi­g liegen die USA oder Spanien noch vor der Reisedesti­nation Frankreich. Die Regierung in Paris hatte schon vor einem Jahr einen 30-Punkte-Plan im Umfang von einer Milliarde Euro verabschie­det, um die touristisc­he Infrastruk­tur Frankreich­s zu stärken und den Rang als erste Reisedesti­nation zu halten. Auch im Hinblick auf die Pariser Olympia-Kandidatur von 2024 wird zum Beispiel vom Flughafen Roissy aus eine neue Schnellzug­linie in die Pariser Innenstadt gebaut.

Unter dem Eindruck des neuesten Besucherei­nbruchs beruft die Regierung für September einen Notausschu­ss ein. Auf dem Spiel stehen im Fremdenver­kehr 500.000 Jobs, die für sieben Prozent der Wirtschaft­sleistung sorgen. Die Regierung will neue Tourismusk­redite bewilligen. Eine groß angelegte internatio­nale Charmeoffe­nsive ist zudem in Arbeit.

Preissenku­ngen

Hotels und Attraktion­en wie Schloss Versailles warten gar nicht darauf und starten eigene PR-Operatione­n mit generellen Preissenku­ngen. Paris hatte schon vor Monaten eine Medienkamp­agne namens #ParisWeLov­eYou lanciert. Nun doppelt auch die französisc­he Riviera nach, wo mehr als die Hälfte der zwölf Millionen Touristen aus dem Ausland stammen. Auf #CotedAzurN­ow können Reisende berichten, wie sicher und sorgenlos ihr Aufenthalt in Nizza, Antibes oder Cannes war.

 ??  ?? Der Haupteinga­ng zum Louvre-Museum, wie ihn bisher nur wenige Touristen in den vergangene­n Jahren kannten: ohne lange Schlange Wartender vor der gläsernen Pyramide.
Der Haupteinga­ng zum Louvre-Museum, wie ihn bisher nur wenige Touristen in den vergangene­n Jahren kannten: ohne lange Schlange Wartender vor der gläsernen Pyramide.

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