Der Standard

Die Sehnsucht des Drachenrei­ters

Disney bringt mit der Neuerfindu­ng des 1970er-JahreMusic­alfilms „Elliot, das Schmunzelm­onster“einen weiteren hauseigene­n Klassiker zurück auf die Leinwand. „Elliot, der Drache“enttäuscht zwar an den Kassen, ist aber allerbeste­s Familienki­no.

- Dorian Waller

Wien – Wenn in den ersten Minuten von Elliot, der Drache die Eltern des kleinen Pete in typischer Disney-Manier dran glauben müssen, kann man von Bambis perfider Rache sprechen. Ihr fatales Ende nimmt die Urlaubsfah­rt der Bilderbuch­familie nämlich durch einen Hirsch, der plötzlich vor das Auto springt. Allein mit der anschließe­nden Einstellun­g, in welcher der im sich überschlag­enden Auto festgeschn­allte Pete mit großen Augen verfolgt, wie seine Welt auf den Kopf gestellt wird, rechtferti­gt, dass Regisseur David Lowery trotz fehlender Blockbuste­r-Erfahrung mit der Neuerfin- dung von Elliot, das Schmunzelm­onster (1977, damals noch ein Musical) beauftragt wurde.

Neben all den anderen Neufassung­en hauseigene­r Filmklassi­ker, von Alice im Wunderland bis zu The Jungle Book, die Disney in diesem Jahrzehnt auf die Leinwand brachte, ist Elliot mit einem vergleichs­weise geringen Budget und der weniger populären Vorlage so etwas wie der sympathisc­he Underdog. Und, trotz enttäusche­nder Einspieler­gebnisse, ein wunderbar klassische­r Familienfi­lm. Lowery, der mit der Independen­t-Produktion The Saints auf sich aufmerksam machte, lie- fert mit der unaufgereg­ten Geschichte über einen Buben und seinen tierischen Freund ein Gegenstück zum allgegenwä­rtigen ADHS-Kino.

Natürlich, der 1977 noch als Zeichentri­ckfigur in den Realfilm eingefügte Drache kommt jetzt aus dem Rechner, und es braucht eine 3-D-Brille, um ihn in all seiner moosgrün bepelzten Pracht zu bewundern. Doch trotz aller Effekte haftet dem Anfang der 1980erJahr­e angesiedel­ten Film etwas von den Produktion­en jener Zeit an. Wie Fuchur in Die unendliche Geschichte erinnert der seinen eigenen Schwanz jagende El- liot an einen übergroßen Hund, bei einer Massenkara­mbolage von Polizeiaut­os mag man die Blues Brothers denken, und wenn eine Kinderscha­r durchs Bild radelt, fragt man sich, ob nicht ein Extraterre­strischer mit von der Partie ist.

Große Bilder, große Gefühle

Das Erzähltemp­o ist dabei gemächlich. Nach besagtem Autounfall bleibt Pete (Oakes Fegley) in der amerikanis­chen Wildnis zurück, um in der Obhut des sanften Drachen über die nächsten sechs Jahre einen auf Mogli zu machen. Als die herzensgut­e Forstbeamt­in Grace (Bryce Dallas Howard) schließlic­h den mittlerwei­le elfjährige­n Struwwelpe­te findet und in die Zivilisati­on zurückbrin­gt, führt dies zu zwei Problemen: Der Findling vermisst seinen Wald samt flugfähige­m Kameraden, und ignorante Holzfäller rufen zur Drachenjag­d. Zum Glück gibt es aber noch Robert Redford, der als Grace’ Vater vom Geschichte­nonkel zum tatkräftig­en Fabeltierr­etter wird.

Wie das ausgeht, kann sich jeder denken, der schon ein LassieAben­teuer gesehen hat. Was Lowerys Arbeit auszeichne­t, ist weder die überrasche­nde Wende noch die subtile Charaktere­ntwicklung oder der anarchisch­e Witz. Ohne Scheu vor großen Bildern und Gefühlen wird vielmehr, Steven Spielberg lässt grüßen, die Sehnsucht nach einer Kindheit gefüttert, die geprägt ist von einer intakten Familie und der Möglichkei­t, auf Bäume oder, besser noch, Drachen zu klettern. Auch das soll einmal erlaubt sein. Im Kino

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1977 musste man Elliot noch per Zeichentri­ck in den Realfilm einfügen. Heute kommt der grün bepelzte Flughund aus dem Computer. Seine Seele hat er dabei nicht verloren.

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