Niedriglöhne als integrationspolitisches Dilemma
Gemeinnützige Arbeit kann integrationsfördernd sein und Flüchtlinge in den Arbeitsprozess bringen. Allerdings darf sie nicht eine Art Schuhlöffel in einen staatlich geförderten Niedriglohnsektor sein, der geltendes Arbeitsrecht aushöhlt.
Sie steht im Mittelpunkt der Debatten um die Integration von Flüchtlingen: die „gemeinnützige Arbeit“. Tatsächlich ist sie eine der gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten für Asylwerber zum Tätigwerden während des Asylverfahrens. Ihr Arbeitsmarktzugang ist ja sonst sehr eng. Aktuell stehen für sie nur Saisonbeschäftigungen in Tourismus und Landwirtschaft offen. Aber selbst diese Jobs gibt es für sie nur dann, wenn keine beim AMS vorgemerkte Arbeitskraft dafür verfügbar ist. Jugendliche können wenigstens eine Lehre in einem der sogenannten Mangelberufe absolvieren. Kein Wunder, dass nur rund 400 von rund 85.000 Asylwerber so beschäftigt sind.
Aber sie können auf freiwilliger Basis zu „gemeinnützigen Hilfstätigkeiten für Bund, Land und Gemeinde“herangezogen werden und einen „Anerkennungsbetrag“dabei verdienen – ohne dass es sich dabei um ein Arbeitsverhältnis mit einem steuer- und abga- benpflichtigen Einkommen handeln würde.
Arbeit als ein zentrales Element von Integration stellt niemand in Abrede – auch nicht den Umstand, dass es dafür Vorbereitung braucht. Damit sieht es in Österreich aber eher düster aus. Deutschkurse gibt es während des Asylverfahrens in den allermeisten Gemeinden nur ehrenamtlich, von Kompetenzerhebungen oder gar beruflichen Ausbildungen ganz zu schweigen. Es wird sich nichts Maßgebliches beim Abriegeln des Arbeitsmarktes für Asylwerber ändern, jedenfalls deutet nichts in der integrationspolitischen Debatte darauf hin. Es bleibt also die „gemeinnützige Arbeit“für sie die einzige Möglichkeit zum Tätigwerden und als Vorbereitung für den Arbeitsmarktzugang nach dem positiven Asylbescheid.
Hohe Rechtsunsicherheit
Es gibt aber keine ausreichende Sicherheit, was denn nun „gemeinnützige Arbeit“ist. Die Verurteilung eines „Nachbarschaftshilfeprojekts“in Vorarlberg nach dem Lohn- und SozialdumpingBekämpfungsgesetz in Vorarlberg ist dafür ein deutlicher Beleg. Wer nach einer rechtlichen Definition sucht, findet sie im Steuer- und nicht im Arbeitsrecht. Gemeinnützige Arbeit verfolgt demnach Zwecke, die der Allgemeinheit dienen. Sie ist also ganz normale, dem Arbeitsrecht und den Kollektivverträgen unterliegende Arbeit, nur dient sie nicht den Profitinteressen eines Arbeitgebers, sondern der Förderung des Gemeinwohls.
In ihrem „Integrationspaket“vom 20. Juni 2016 hat die Bundesregierung einen Katalog derartiger Arbeiten angekündigt. Damit kann aber Rechtssicherheit nicht erreicht werden. Denn es ist unwesentlich, ob eine Verwaltungsbehörde eine Tätigkeit als „gemeinnützig“im Sinne des Grundversorgungsgesetzes bezeichnet und damit aus dem Geltungsbereich des Arbeitsrechts herausnimmt. Wird sie in persönlicher Abhängigkeit, also unter Ausübung eines Weisungsrechtes erledigt, liegt ein Arbeitsvertrag vor, eine Gemeinnützigkeitserklärung des Integrationsministers hin oder her.
Es spricht also viel dafür, statt der Katalogidee einen anderen Weg zu gehen: nämlich einen eigenen Rechtsrahmen für derlei Tätigkeiten zu schaffen. Dafür bedarf es der politischen Bereit- schaft, eine eigene Kategorie von Arbeit außerhalb der kollektivvertraglich geregelten Arbeitswelt zu schaffen und dabei der besonderen Lebenslage von Asylsuchenden Rechnung zu tragen.
Dieser Rechtsrahmen sollte eine Reihe von Elementen enthalten, wie etwa jenes, dass die Tätigkeiten von einer Gebietskörperschaft organisiert werden, unter Umständen mithilfe von Nichtregierungsorganisationen. Sie soll unter Anleitung, in gemischten Teams und in Teilzeit ausgeübt werden. Denn die Verbindung dieser Tätigkeiten mit einer Ausbildung ist wichtig und sollte zwingend für die „gemeinnützige Arbeit“von Asylwerbern vorgesehen werden – zum Beispiel in Form der Kombination mit Deutschkursen. Durch die Tätigkeit von Asylwerbern darf sich der Beschäftigtenstand der Kommune nicht verringern.
Genaue Bedingungen
Der „Anerkennungsbetrag“bis zur Höhe der Geringfügigkeitsgrenze sollte nicht auf die Grundversorgung angerechnet werden. Eine Unfallversicherung ist zwingend vorzusehen. Jugendliche Asylwerber sollten darüber hinaus Zugang zur Lehrausbildung in allen Berufen und zu den Maßnahmen der Ausbildungsgarantie beziehungsweise der Aus- bildung bis 18 erhalten – für sie gilt einfach: Ausbildung hat Vorrang.
Es wäre einfach ein pragmatischer Weg, Asylwerbern sinnvolle und von der Gemeinschaft, in der sie leben, anerkannte Arbeit zu ermöglichen – ohne die Konkurrenz beim Wettlauf von Arbeitsuchenden um zu wenige Arbeitsplätze anzuheizen. Dadurch ergäbe sich hohe Rechtssicherheit für alle Beteiligten.
Volle Gültigkeit
Eines muss aber ganz klar bleiben: Für Menschen mit freiem Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt, also auch für Asylberechtigte und Menschen mit subsidiärem Schutz muss das Arbeits- und Sozialrecht voll gelten. Ihre Arbeitsmarktintegration kann durch Instrumente der Beschäftigungsförderung des AMS unterstützt werden – etwa durch Beschäftigungsprojekte im sogenannten zweiten Arbeitsmarkt.
Kein Niedriglohnsektor
Für sie einen staatlich verordneten Niedrigstlohnsektor zu schaffen – und nichts anderes bedeuten etwa die Vorstöße in Richtung „Ein-Euro-Jobs für anerkannte Flüchtlinge“– hätte massiv negative Folgen für die Integration und die Arbeitsmarktentwicklung für alle unselbstständig Erwerbstätigen in Österreich.
GERNOT MITTERist Arbeitsmarktexperte bei der Arbeiterkammer Wien.