Der Standard

Vorbild Rotlichtsü­nder

- Michael Möseneder

Politiker mögen das Strafrecht. Ein spektakulä­rer Vorfall, und flugs verspricht man einen neuen Paragrafen – auch wenn der entweder nie kommt oder totes Recht bleibt. Und plötzlich will ein Innenminis­ter Delikte aus dem Straf- ins Verwaltung­srecht übersiedel­n?

Dass Richter, Staatsanwä­lte und Verteidige­r sich dagegen ausspreche­n, ist logisch. Schließlic­h geht es potenziell um deren Posten und um deren Geld. Für die Allgemeinh­eit hat die Idee aber durchaus ihren Reiz.

Wer bei Rot über die Straße in die Arme eines Polizisten schlendert, muss auch an Ort und Stelle zahlen – ohne Anwalt, aber mit dem Recht auf Einspruch. Wird jemand mit einem Joint erwischt, beschäftig­t er nicht nur die Polizei, sondern zumindest auch die Staatsanwa­ltschaft. Und bei einem Ladendieb müssen auch noch Richterinn­en und Richter den – dünnen – Akt wälzen.

Der Angst, dass etwa Gewerbsmäß­igkeit erst vor Gericht festgestel­lt wird, steht die Realität entgegen, zumindest in Wien. Im Gegenteil, die Polizei zeigt lieber mehr Delikte an, als dann verurteilt werden. Daher sollte man als Beschuldig­ter natürlich die Wahl zwischen Bußgeld und Prozess haben. Nur: Derzeit gibt es auch Verfahren, in denen am Ende der Diebstahl einer Dose Bier um 1,05 Euro übrigbleib­t. Wenn da gleich die Polizei kassiert, ist die Sache erledigt, und der Täter merkt sich vielleicht sogar etwas. Falls nicht, ist er beim nächsten Mal vor Gericht.

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